Prognosebericht

Gesamt- und Kreditwirtschaft

Im Frühjahr 2020 standen weltweit mehr oder weniger alle Wirtschafts- und Lebensbereiche im Zeichen der neuartigen Corona-Pandemie. Mit dem Ziel, das Tempo der Virus-Ausbreitung zu reduzieren und eine Überlastung der Gesundheitssysteme zu verhindern, wurden in vielen Staaten Maßnahmen ergriffen, die den sozialen Kontakt stark einschränkten. Im Zuge dessen wurden Produktions- und Lieferketten unterbrochen sowie Konsumgelegenheiten vermindert. Auch wurden hierzulande und in vielen anderen Ländern umfassende Hilfsmaßnahmen beschlossen, die auf eine Abfederung der wirtschaftlichen Krisenfolgen abzielen. Ein Beispiel hierfür ist das Anfang Juni von der Bundesregierung angekündigte Konjunkturprogramm mit einem geplanten Umfang von 130 Milliarden Euro.

Dennoch scheint es unvermeidlich, dass die Wirtschaftsleistung Deutschlands im Gesamtjahr 2020 erheblich zurückgehen wird. Hierauf deutet unter anderem auch die Industrieproduktion hin, die im April gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um außerordentlich starke 22,1 Prozent sank. Allerdings ist davon auszugehen, dass der konjunkturelle Tiefpunkt damit erreicht wurde. Angesichts der inzwischen eingeleiteten stufenweisen Lockerungen von Schutzmaßnahmen und der Wiederaufnahme der Produktion in der wichtigen Automobilindustrie dürfte in der zweiten Jahreshälfte eine konjunkturelle Erholung einsetzen. Die Quantifizierung der Krisenfolgen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im laufenden Jahr ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Je nach Verlauf der Pandemie ist es beispielsweise möglich, dass künftig erneut Konsum- und Produktionseinschränkungen nötig werden, die dann die Wirtschaft gravierend belasten.

Unter Berücksichtigung dieser enormen Unsicherheiten hat die Deutsche Bundesbank im Rahmen ihrer Anfang Juni veröffentlichten Projektion verschiedene Szenarien für die Perspektiven der deutschen Wirtschaft vorgelegt, die allerdings die Auswirkungen des Anfang Juni beschlossenen Konjunkturpakets nicht berücksichtigen. Nach Einschätzung der Notenbank löst die Corona-Pandemie eine tiefe Rezession in Deutschland aus. Die Deutsche Bundesbank geht in ihrem Basisszenario, dem die höchste Wahrscheinlichkeit beigemessen wird, davon aus, dass sich die Erholung zunächst hinzieht, da die virusbedingten Beeinträchtigungen erst nach und nach zurückgehen werden. Das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands dürfte vor diesem Hintergrund 2020 gegenüber dem Vorjahr um 6,8 Prozent einbrechen. Auch auf dem Arbeitsmarkt und bei den Verbraucherpreisen werde die Rezession merkliche Spuren hinterlassen. Die Arbeitslosenquote wird gemäß dem Basisszenario im Jahresdurchschnitt auf 6,1 Prozent steigen. Für die Inflationsrate, basierend auf dem harmonisierten Verbraucherpreisindex, wird angesichts des krisenbedingten Ölpreisverfalls ein Rückgang auf 0,8 Prozent prognostiziert. Im Basisszenario wird unterstellt, dass es Mitte 2021 eine wirksame medizinische Lösung für die Pandemie geben wird. Die Erholung dürfte dann neuen Schub erhalten und im gesamten Jahr 2021 zu einem BIP-Wachstum um 3,2 Prozent führen.

Die EZB hat als Reaktion auf die sich abzeichnenden wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie umfangreiche geldpolitische Lockerungen beschlossen. Der EZB-Rat kündigte auf seiner Sitzung vom 12. März unter anderem eine Ausweitung der langfristigen Liquiditätsgeschäfte für Banken an sowie eine Aufstockung des Anleihekaufprogramms um 120 Milliarden Euro bis Ende 2020. Am 18. März verkündete die Notenbank zudem ein neues Anleihekaufprogramm mit einem Ankaufvolumen von 750 Milliarden Euro. Dieses wurde am 4. Juni um weitere 600 Milliarden Euro aufgestockt und soll mindestens bis Ende Juni 2021 laufen. Wegen der Krise sind Bundesanleihen als sicherer Hafen weiterhin gefragt. Die Rendite von deutschen Staatsanleihen mit langfristiger Restlaufzeit dürfte daher negativ bleiben.

Die für die Gesamtwirtschaft genannten negativen Effekte wirken sich entsprechend auch auf die Kreditwirtschaft aus. Die Finanzlage der meisten Unternehmen und Firmen sowie deren Arbeitnehmer, die den Kundenkreis der Kreditwirtschaft abbilden, wird sich zum Teil merklich verschlechtern. Dies wird sich aller Voraussicht nach in einer Erhöhung der Insolvenzzahlen im Jahr 2020 widerspiegeln. Die Institute müssen dementsprechend mit einem deutlich höheren Risikoaufwand sowie einer Ratingmigration von vielen Kreditnehmer-Ratings rechnen. Neben dem steigenden Adressrisiko ist auch ein verringerter langfristiger Anlagewunsch der Verbraucher nicht unwahrscheinlich und wird das Provisionsergebnis der Kreditwirtschaft belasten. Das Wachstum der Kreditnachfrage wird aufgrund der wirtschaftlichen Verschlechterung vieler Verbraucher durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit beeinflusst. Auf der anderen Seite wird jedoch durch die Corona-Pandemie eine Steigung der Kreditnachfrage von Firmenkunden bei weiterhin stabiler Immobilienkreditnachfrage erwartet, die den vorgenannten Effekt überkompensieren dürfte.

Auch im Jahr 2020 wird das vergleichsweise niedrige nominelle Zinsniveau, das mit einer relativ flachen Zinsstrukturkurve einhergeht und einer deutlichen Margenerhöhung im zinsinduzierten Geschäft entgegensteht, aus heutiger Sicht bestehen bleiben und die Bewältigung der skizzierten Herausforderungen erschweren. Diese Aussage basiert auf der aktuellen Einschätzung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die angesichts niedriger Inflationsraten im Euroraum weiterhin einen expansiv wirkenden geldpolitischen Pfad verfolgt. Mit einer Normalisierung auf der Zinsseite ist mittelfristig nicht zu rechnen.

Dem damit weiterhin unverändert hohen Ertragsdruck werden die Kreditinstitute auch im laufenden Geschäftsjahr mit Effizienzsteigerungsmaßnahmen zur Kostenreduktion begegnen. Betriebswirtschaftlich sinnvolle Fusionen werden weiter erfolgen und auch die Überprüfung der Angemessenheit des Filialnetzwerkes bleibt weiter auf der Tagesordnung. Gerade durch die pandemiebedingte Reduzierung der persönlichen Kontakte ist hier von einer Beschleunigung des Digitalisierungstrends auszugehen, der auch von den Kunden forciert wird. Einhergehend mit der verstärkten Online-Nutzung von Bankprodukten und ihrem elektronischen Vertragsabschluss wird vermutlich auch die erforderliche Anzahl der Beschäftigten im Finanzsektor weiter rückläufig sein.

Darüber hinaus steht der Finanzsektor auch weiterhin und noch dringender vor der Herausforderung, bestehende Geschäftsmodelle gegen technologiegetriebene Wettbewerber zu verteidigen und auf den neuen Kundenbedarf anzupassen. Dies umfasst insbesondere, die Effizienz durch die Digitalisierung von Geschäfts- und IT-Prozessen deutlich zu steigern. Entsprechende Investitionen dürften zunächst die Kostenseite der Branche belasten, bevor erwartete Profitabilitätssteigerungen realisiert werden können.

Daneben schwelen unverändert die bereits vor Corona bekannten Risiken aus den die Weltwirtschaft beherrschenden Ereignissen und wirken risikoverstärkend auf die wirtschaftliche Verfassung der Kreditwirtschaft. Dies sind insbesondere die Auswirkungen des weiterhin unklaren Brexits, die noch länger ausbleibende Zinswende, die nun verschärfte wirtschaftliche Situation Italiens und ihre potenzielle Auswirkung auf die Eurozone sowie die Unsicherheiten im Zollkonflikt zwischen den USA und China.

Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken

Die Folgen der Corona-Pandemie werden sich im Ergebnis des Geschäftsjahres 2020 der genossenschaftlichen FinanzGruppe niederschlagen. Der Jahresüberschuss vor Steuern wird nach aktueller Einschätzung weiterhin positiv sein: Jedoch ist gegenüber dem sehr guten Jahresabschluss 2019 aufgrund der durch die Corona-Pandemie ausgelösten konjunkturellen Abschwächung mit einem merklichen Ergebnisrückgang zu rechnen.

Die Wertberichtigungen für Kredite im Dienstleistungssektor und im verarbeitenden Gewerbe werden zunehmen und die Risikovorsorge wird insgesamt gegenüber dem Vorjahr spürbar ansteigen. Des Weiteren sind seit Frühjahr 2020 sehr starke Verwerfungen am Kapitalmarkt eingetreten, die zu einem signifikant höheren negativen kapitalmarktinduzierten Bewertungsergebnis führen werden. Die tatsächliche Höhe des Bewertungsergebnisses hängt jedoch sehr stark vom weiteren Pandemieverlauf und dem Kapitalmarktniveau zum Jahresende 2020 ab.

Die weiteren wesentlichen Ertragskomponenten dürften auch grundsätzlich von der Corona-Pandemie negativ betroffen sein, jedoch ist der genaue Umfang stark vom weiteren Pandemieverlauf abhängig:

Der Zinsüberschuss wird vor allem aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus im Geschäftsjahr 2020 erneut leicht sinken, wobei insbesondere die zinssensitiven Geschäftsmodelle innerhalb der genossenschaftlichen FinanzGruppe im Geschäftsjahr 2020 betroffen sein werden. Positiv wirkt hier die weiterhin hohe Kreditnachfrage und die in Teilen eintretende Normalisierung der Margen des Kundengeschäfts.

Für den Provisionsüberschuss erwartet die genossenschaftliche FinanzGruppe für das Geschäftsjahr 2020 ein im Vergleich zum Geschäftsjahr 2019 unverändertes bis leicht rückläufiges Niveau. Dies wird jedoch auch stark von dem geänderten Kundenverhalten (Abschluss über digitale Wege, Öffnungsumfang der Filialen) und der Anpassungsfähigkeit der einzelnen Institute in der Corona-Pandemie abhängen.

Das Handelsergebnis, das insbesondere auf das entsprechende Ergebnis im Geschäftssegment Zentralbank und Großkunden zurückgeht, wird ebenfalls stark von der weiteren Kapitalmarktvolatilität abhängen. Positive Impulse dürften auch im Geschäftsjahr 2020 von dem kundengetriebenen Kapitalmarktgeschäft ausgehen.

Das Ergebnis aus dem Versicherungsgeschäft wird im Geschäftsjahr 2020 spürbar niedriger als im Vergleich zum Geschäftsjahr 2019 erwartet und geschäftsmodellbezogen auch stark von der weiteren Kapitalmarktentwicklung abhängen. Während die Bruttobeiträge in den verschiedenen Geschäftsbereichen aus heutiger Sicht steigen werden, wird erwartet, dass das Kapitalanlageergebnis rückläufig ist.

Die Verwaltungsaufwendungen werden sich voraussichtlich auch im Geschäftsjahr 2020 insgesamt konstant entwickeln. Während die Personalaufwendungen aus heutiger Sicht leicht rückläufig erwartet werden, zeichnet sich bei den Sachaufwendungen eine Steigerung vor dem Hintergrund des geplanten Wachstums sowie der Investitionserfordernisse ab. Die erforderlichen Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Pandemie werden auch einen Anstieg der Sachaufwendungen bewirken.

Die Aufwand-Ertrags-Relation der genossenschaftliche FinanzGruppe wird im Geschäftsjahr 2020 bedingt durch im Vergleich zum Geschäftsjahr 2019 niedrigere Ertragserwartungen bei dem prognostizierten Aufwand voraussichtlich deutlich steigen.