Frieden!
Der Ukraine-Krieg und die Folgen
Der Krieg in der Ukraine – mitten in Europa – hat den Blick für das, was wichtig ist und wonach die Länder Europas seit zehn Jahrzehnten streben, geschärft: Zusammenhalt und – zuvorderst – Frieden. Hier stehen die Staaten Europas und darüber hinaus vor gewaltigen geopolitischen und auch wirtschaftlichen Aufgaben, vor allem aber vor einer menschlichen Tragödie, wie man sie sich seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa nicht mehr vorstellen mochte.
Eine menschliche Tragödie
Der durch nichts zu rechtfertigende Angriff Wladimir Putins auf die Ukraine und das dadurch ausgelöste Leid machen fassungslos. Noch vor ein paar Monaten hatte wohl kaum jemand einen solchen Angriffskrieg in Europa für ein realistisches Szenario gehalten.
Wir erleben eine große, beeindruckende Welle der Hilfsbereitschaft. Auch die 772 Genossenschaftsbanken in Deutschland mit ihren über 135.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern engagieren sich bei der Arbeit und auch im Ehrenamt, um den Geflüchteten zu helfen.
Große genossenschaftliche Spendenaktion
Schnell haben die Genossenschaftsbanken unter der Federführung des BVR eine gemeinsame Spendenaktion ins Leben gerufen, mit der die Unternehmen der genossenschaftlichen FinanzGruppe zusammen mit den genossenschaftlichen Regionalverbänden, den Genossenschaften der deutschen Agrar- und Ernährungswirtschaft und den gewerblichen Genossenschaften und Verbundgruppen über 1,5 Millionen Euro bereitstellen.
Neben den ganz praktischen Dingen des Alltags benötigen die in Deutschland eintreffenden Flüchtlinge dringend Zugang zu Bankdienstleistungen und Bargeld. Deshalb ist es gut und zielführend, dass das Bundesministerium des Innern und für Heimat sowie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf die drängende Bitte der Deutschen Kreditwirtschaft die ukrainische Identity Card sowie weitere ukrainische Ausweisdokumente (wie den „Bürgerausweis“) zusammen mit einem Dokument einer deutschen Behörde als Identifikationsdokumente bei der (Basis-) Kontoeröffnung zugelassen haben.
Überdies hat sich das Bundesministerium der Finanzen gemeinsam mit der Deutschen Kreditwirtschaft auf ein gemeinsames Eckpunktepapier zum Währungstausch für ukrainische Flüchtlinge verständigt. Grundlage dafür ist die von der Europäischen Kommission am 1. April 2022 herausgegebene Empfehlung an die EU-Mitgliedsstaaten. Demnach kann jeder volljährige Kriegsflüchtling vom 18. Mai 2022 bis zum 19. August 2022 in Deutschland einen Währungstausch bis zu 10.000 UAH Bargeld in Euro vornehmen. Die freiwillig teilnehmenden Geschäftsbanken der Kreditwirtschaft in Deutschland führen den Umtausch in der Regel in Verbindung mit einer Kontoeröffnung durch.
Angemessene EU-Sanktionen
Politisch betrachtet hat die EU mit einer starken gemeinsamen Antwort auf den Angriffskrieg Russlands ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Das ist wichtig und richtig. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Wiederherstellung des Friedens in Europa. In enger Abstimmung mit ihren Partnern, wie den USA und Großbritannien, verhängte die EU in kürzester Zeit weitreichende, beispiellose, aber auch angemessene Sanktionen gegen Russland und Weißrussland. Das weitgehende Abkoppeln Russlands vom Waren- und Dienstleistungsverkehr sowie der Rückzug ausländischer Investoren zeigen: Die Phase der unbeschwerten Globalisierung ist endgültig vorbei.
Von Staaten, die die Menschenrechte und das Völkerrecht missachten, darf Deutschland nicht abhängig sein.
Erhebliche Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Ganz klar: Die wirtschaftliche Betroffenheit durch die Sanktionen darf angesichts des großen Leids in den Kriegsgebieten nicht der entscheidende Faktor sein. Für die Genossenschaftsbanken sind die ökonomischen Folgen derzeit noch vergleichsweise überschaubar, mit weiteren Verschärfungen der Sanktionen jedoch werden sich diese in den Büchern der Banken immer deutlicher niederschlagen. Ihren vielen mittelständischen Kundinnen und Kunden stehen die Banken in dieser herausfordernden Situation als zuverlässige Partner zur Seite. Der BVR hält daher engen Kontakt zu den zuständigen Bundesministerien, der Deutschen Bundesbank und der Europäischen Kommission. Alle zentralen Dienstleister der genossenschaftlichen FinanzGruppe stimmen ihre Unterstützungsleistungen laufend eng miteinander ab.
Schließlich haben die stark steigenden Energiepreise und die damit verbundenen Kostensteigerungen, die wegfallenden Importe und Exporte sowie die Ungewissheit über den Fortgang des Kriegs in der Ukraine erhebliche Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft. Die Inflation wird höher ausfallen. Das Wachstum wird gedämpft. Von einem Anstieg der Verbraucherpreise um rund sechs Prozent im Jahresdurchschnitt ist derzeit auszugehen. Im Falle eines Gasembargos würden sich die negativen Auswirkungen auf Konjunktur und Inflation nochmals verstärken. Mit einem Abschied von den Minuszinsen noch in diesem Jahr würde die Europäische Zentralbank zeigen, dass sie der hohen Inflation entschlossen entgegentritt.
Entlastungen für Unternehmen sind nötig
Unternehmensseitig ist im laufenden Jahr von einem Anstieg der Insolvenzen auszugehen. Durch den Ukraine-Krieg hat sich das Konjunkturumfeld deutlich verschlechtert. Viele Unternehmensbilanzen waren dabei bereits durch die Corona-Krise geschwächt. Auch Unternehmen mit gesundem Geschäftsmodell sind zum Teil existenziell bedroht. Deshalb sind insbesondere für stark von gestiegenen Energiepreisen und Lieferkettenproblemen betroffene mittelständische Unternehmen Entlastungen nötig. Hilfen nach dem Gießkannenprinzip sollten dabei aber vermieden werden, um die Finanzpolitik nicht zu überfordern.
Dringend geboten sind weitere Entlastungen von den Energiekosten, etwa durch eine vorübergehende Senkung der Stromsteuer. Hilfreich für die betroffenen Unternehmen sind die Sonderförderkreditprogramme der öffentlichen Förderkreditinstitute mit umfangreicher Haftungsfreistellung. Auch könnte den Unternehmen im Rahmen des Verlustvortrages ein Rücktragzeitraum von drei statt bisher zwei Jahren gegeben werden, um krisenbedingt erlittene Verluste besser mit künftigen Steuerzahlungen verrechnen zu können.