Geschäftsentwicklung 2020
Genossenschaftsbanken: Zuverlässige Partner in der Pandemie
Das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Deutschland stand 2020 im Zeichen der COVID-19-Pandemie. Die weltweite Verbreitung des Coronavirus und die dagegen ergriffenen Maßnahmen ließen die bereits vorher geschwächte Konjunktur in eine schwere Rezession münden (siehe auch Seite 120 ff.).
Die deutschen Genossenschaftsbanken – 814 Volksbanken und Raiffeisenbanken, Sparda-Banken, PSD Banken und sonstige Genossenschaftsbanken – behaupteten sich in dieser Krise gut. Mehr noch: Sie standen ihren mittelständischen und privaten Kunden in diesen schweren Zeiten als verlässliche Finanzpartner zur Seite. Im Geschäftsjahr 2020 setzte sich das Wachstum im Kredit- und Einlagengeschäft fort. Getragen vom guten Kundengeschäft legten die Genossenschaftsbanken hier um 6,2 Prozent (Kredite) und 7,6 Prozent (Einlagen) zu.
Das Teilbetriebsergebnis lag mit 6,8 Milliarden Euro (–1 Prozent) annähernd auf Vorjahresniveau. Die Genossenschaftsbanken stärkten zudem ihre Eigenkapitalausstattung weiter. Der Jahresüberschuss vor Steuern beträgt 6,3 Milliarden Euro (–16,9 Prozent). Die addierte Bilanzsumme aller Genossenschaftsbanken stieg 2020 erstmals über 1 Billion Euro. Sie erhöhte sich gegenüber 2019 um 9,1 Prozent auf 1.075 Milliarden Euro. Gründe dafür waren eine deutliche Steigerung der Barreserve sowie der Interbankenforderungen und -verbindlichkeiten. Sowohl im Kreditgeschäft als auch im Einlagengeschäft konnten die Kreditgenossenschaften ihre Marktanteile 2020 stärken.
Starke Kreditnachfrage: Langfristige Laufzeiten gefragt
Die für die Liquidität von Unternehmen und Gewerbekunden sowie die konjunkturelle Erholung essenzielle Kreditvergabe in Deutschland verlief auch in der Corona-Pandemie störungsfrei. Bei den Genossenschaftsbanken war sie – wie die entsprechenden Kreditdaten zeigen – seit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 stabil. Der Zuwachs im Kreditgeschäft erreichte mit 6,2 Prozent eine neue Rekordmarke (+39 Milliarden Euro). Insgesamt vergaben die Genossenschaftsbanken per Ende 2020 Kredite in Höhe von 665 Milliarden Euro.
Die Corona-Pandemie sorgte besonders im Kreditgeschäft der Genossenschaftsbanken zum Ende des vierten Quartals 2020 für größere Verschiebungen. Das Interesse an kurzfristigen Krediten sank deutlich. Die Nachfrage nach Krediten mit langfristiger Laufzeit zog hingegen spürbar an. Die kurzfristigen Forderungen sanken um 9,1 Prozent (3 Milliarden Euro) auf 33 Milliarden Euro. Die langfristigen Forderungen wuchsen um 7,1 Prozent (39 Milliarden Euro) auf 591 Milliarden Euro. Das bedeutet: 89 Prozent der Ausleihungen haben eine Ursprungslaufzeit von mehr als fünf Jahren. Die mittelfristigen Forderungen – 6 Prozent der Ausleihungen – legten um 8,3 Prozent auf 41 Milliarden Euro zu.
Sichtguthaben deutlich im Plus – Anlageprodukte rückläufig
Die Kundeneinlagen wuchsen in den vergangenen Jahren kräftig. Aufgrund der andauernden Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) setzen die Kunden vermehrt auf Liquidität. Die erzwungene Konsumzurückhaltung sowie die Liquiditätshilfen im Corona-Lockdown erhöhten 2020 den Einlagenzustrom zusätzlich. Die Sparquote liegt derzeit deutlich über dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Das Sparverhalten der Privatkunden unterscheidet sich damit deutlich von dem früherer Rezessionen. So nahmen die täglich fälligen Sichtguthaben weiter deutlich zu. Bei den weniger liquiden Bankprodukten Termin- und Spareinlagen sowie Sparbriefen zogen die Kunden teilweise deutlich Gelder ab.
Die Genossenschaftsbanken steigerten ihre Kundeneinlagen 2020 um 56 Milliarden Euro (7,6 Prozent) auf 791 Milliarden Euro. Treiber dieses starken Zuwachses waren die täglich fälligen Verbindlichkeiten. Sie stiegen um 64 Milliarden Euro (12,8 Prozent) auf 561 Milliarden Euro. 70 Prozent der Kundeneinlagen sind dabei kurzfristige Sichteinlagen. Ein Grund: In Erwartung steigender Zinsen sind viele Kunden nicht bereit, langfristige Zinsbindungen im Einlagenbereich einzugehen. Eine Zinserhöhung der EZB ist derzeit nicht zu erwarten. Der Trend wird sich also wohl fortsetzen. Der Bestand an Termineinlagen sank aufseiten der Institute um 4 Milliarden Euro (–8,8 Prozent) auf 41 Milliarden Euro. Die Spareinlagen gingen um 3 Milliarden Euro auf 184 Milliarden Euro (–1,7 Prozent) zurück. Der Bestand an Sparbriefen sank um 11,1 Prozent auf 4 Milliarden Euro.
Bilanzsumme: Erstmals über 1 Billion Euro
Die (aggregierte) Bilanzsumme aller Genossenschaftsbanken erhöhte sich zum Jahresende 2020 um 9,1 Prozent auf 1.075 Milliarden Euro. Die durchschnittliche Bilanzsumme je Institut liegt zurzeit bei 1,3 Milliarden Euro. Die Spannweite der Bilanzsummen reicht dabei von knapp unter 20 Millionen Euro für die kleinste bis zu knapp 60 Milliarden Euro für die größte Genossenschaftsbank.
Eigenkapital: Deutliches Plus
Die Genossenschaftsbanken steigerten 2020 ihr bilanzielles Eigenkapital deutlich um 4,1 Prozent auf 57 Milliarden Euro. Die Rücklagen wuchsen um 3,7 Prozent auf 43 Milliarden Euro. Die Geschäftsguthaben (gezeichnetes Kapital) legten um 5,2 Prozent auf 14 Milliarden Euro zu.
814 Genossenschaftsbanken
Der Konsolidierungsprozess unter den Instituten setzte sich gegenüber den Vorjahren leicht abgeschwächt fort. Die Zahl der selbstständigen Genossenschaftsbanken lag per Ende 2020 bei 814 Banken. Sie sank fusionsbedingt um 27 Institute (3,2 Prozent). Fast jede zehnte Bank betrieb neben dem Bankgeschäft auch das Warengeschäft. 2020 sank diese Zahl auf 71 Institute.
Weniger Filialen, mehr Digital-persönliches Banking
Die Corona-Pandemie beeinträchtigte die Nutzung von Filialen massiv. Kunden und Mitglieder gingen seltener in die Zweigstellen. Sie nutzten stattdessen vermehrt die digitalen Angebote für ihre Bankgeschäfte und setzten auf das Digital-persönliche Banking im KundenServiceCenter. Diese Entwicklung lässt sich auch an dem grundlegenden Strukturwandel bei personenbesetzten Zweigstellen ablesen. So sank die Zahl der Zweigstellen auf 7.752 (–751 Zweigstellen, –8,8 Prozent). Die Zahl der Bankstellen (Hauptstellen plus personenbesetzte Zweigstellen) ging um 778 (–8,3 Prozent) auf 8.566 Bankstellen zurück. Zugleich werden Kernfunktionen – wie die Genossenschaftliche Beratung für Privatkunden und Angebote für Firmenkunden – in den personell und technisch gestärkten Betreuungsstandorten weiter ausgebaut. Kleinstfilialen wurden geschlossen oder in SB-Stellen umgewandelt. So stieg die Zahl der SB-Stellen um 9,8 Prozent auf 4.320.
Mitgliederzahl leicht rückläufig
Nach vielen Jahren deutlicher Mitgliederzuwächse seit der Finanzmarktkrise konnten die Genossenschaftsbanken in den vergangenen beiden Jahren netto keinen weiteren Mitgliederzuwachs verzeichnen. Aktuell beträgt die Zahl der Mitglieder 18,42 Millionen (Vorjahr: 18,54 Millionen). Dies ist ein Rückgang um 124.000 Mitglieder. Bemerkenswert: Es kam gleichzeitig nicht zu einem Rückgang bei den Geschäftsguthaben beziehungsweise dem gezeichneten Kapital. Mitglieder zeichneten teilweise verstärkt zusätzliche Geschäftsanteile und stärkten damit das Eigenkapital der Banken.
Zinsüberschuss sinkt stärker
Der Zinsüberschuss der Genossenschaftsbanken ist seit Jahren rückläufig. 2020 war der Rückgang mit –1,9 Prozent auf 16,0 Milliarden Euro stärker ausgeprägt als in den Vorjahren. Die Zinserträge verringerten sich um 4,9 Prozent auf 18,2 Milliarden Euro beziehungsweise 1,77 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme. Der Zinsaufwand wurde mit –21,8 Prozent oder –0,6 auf 2,3 Milliarden Euro prozentual betrachtet deutlicher reduziert. Dies kompensierte den Rückgang im Zinsertrag leicht.
Provisionsüberschuss mit Zwischenhoch
Der Provisionsüberschuss stieg 2020 um 3,8 Prozent auf 5,7 Milliarden Euro. Haupterlösquellen bleiben der Zahlungsverkehr und das Vermittlungsgeschäft mit den Unternehmen der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Die Vermittlungsprovisionen der Genossenschaftsbanken stiegen um 5 Prozent auf 2,5 Milliarden Euro. Insgesamt betrachtet ist dies der höchste Stand der letzten sechs Jahre. Auch das außerbilanzielle Kundenvolumen stieg um 5,5 Prozent auf 507 Milliarden Euro. Die allgemeinen Verwaltungsaufwendungen der Genossenschaftsbanken reduzierten sich 2020 um 0,3 Prozent auf 14,8 Milliarden Euro. Der Personalaufwand blieb mit 8,5 Milliarden Euro trotz Tarifsteigerungen in Höhe von 3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fast unverändert. Insgesamt beschäftigten die Genossenschaftsbanken mit 138.150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 1,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Die Banken nutzen weiterhin vor allem die Altersfluktuation, um betriebswirtschaftlich notwendige Anpassungen der Beschäftigtenzahlen vorzunehmen. Die Zahl der Auszubildenden liegt bei 8.600. Das ist ein Plus von 200. Die Aufwand-Ertrags-Relation (Cost-Income-Ratio) veränderte sich nur leicht auf 68,6 Prozent (2019: 68,3 Prozent).
Teilbetriebsergebnis bleibt konstant
Das Teilbetriebsergebnis – als Ergebnis der operativen Geschäftstätigkeit – blieb 2020 mit 6,8 Milliarden Euro (–1 Prozent) nahezu konstant. Das Betriebsergebnis vor Bewertung stieg gegenüber 2019 leicht um 0,4 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro. Das Bewertungsergebnis der Genossenschaftsbanken erreichte 2020 insgesamt –927 Millionen Euro.
Das Betriebsergebnis nach Bewertung reduzierte sich um 1,4 Milliarden Euro auf 6,4 Milliarden Euro. Der voraussichtliche Jahresüberschuss vor Steuern lag bei 6,3 Milliarden Euro und damit um 16,9 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Steuern vom Einkommen und vom Ertrag erreichten rund 2 Milliarden Euro. Dem Fonds für allgemeine Bankrisiken führten die Genossenschaftsbanken 2020 circa 2,3 Milliarden Euro zu. Die bereits solide Eigenkapitalausstattung der Institute wurde durch diese Dotierung erneut gestärkt. Nach Steuern verblieb damit ein voraussichtlicher Jahresüberschuss von 2,1 Milliarden Euro.
2021: Ergebnisrückgang erwartet
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind nach wie vor schwer einzuschätzen. Durch die geschwächte Konjunktur dürfte 2021 ein höherer Bedarf an Abschreibungen und Wertberichtigungen im Kreditgeschäft sowie im Wertpapierbereich der Banken zu erwarten sein. Überdies reflektieren die Finanzmärkte die Erwartung steigender Inflationsraten. Aus heutiger Sicht ist für 2021 mit einem schwächeren Ergebnis zu rechnen. Fortschritte in der Digitalisierung, die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle sowie das Heben von Effizienz- und Kostensenkungspotenzialen werden wichtige Aufgaben der Unternehmen der genossenschaftlichen FinanzGruppe bleiben.