Notenbanken haben Zinssenkungszyklus begonnen

Nachdem sie im Jahr 2023 ihren Höhepunkt erreicht hatten, wurden 2024 in den meisten großen Volkswirtschaften die Leitzinsen gesenkt. Während insbesondere die erste Hälfte des Jahres 2024 noch von einem „Länger-höher“ bei den Leitzinsen geprägt war, läutete die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni die Phase der Zinssenkungen ein. Die Bank von England und die US-amerikanische Fed folgten kurz darauf. Begründet wurde dies mit dem Rückgang der Inflationsraten, der Aussicht auf ein mittelfristiges Erreichen des Inflationsziels und der Befürchtung, dass eine zu restriktive Geldpolitik die wirtschaftliche Entwicklung zu stark bremsen und sogar zu einem Unterschreiten des Inflationsziels führen könnte.

Schwierige letzte Meile bei der Inflationsbekämpfung

Dennoch begleitete die Inflationsbekämpfung die Notenbanken durch das Jahr. Insbesondere die für die Geldpolitik relevante Kerninflation, also die um die schwankungsanfälligen Energie- und Nahrungsmittelpreise bereinigte Teuerung, erwies sich als hartnäckig. In den USA ging die Verbraucherpreisinflation zum Jahresende leicht auf 2,9 Prozent zurück, nachdem sie im Januar noch bei 3,1 Prozent gelegen hatte. In der Eurozone lag die Inflationsrate nach 2,8 Prozent im Januar im Dezember bei 2,4 Prozent. Die Kerninflation sank in den USA von 3,9 auf 3,2 Prozent und im Euroraum von 3,3 auf 2,7 Prozent. Sie blieb damit in beiden Währungsräumen über der Gesamtteuerung und deutlich über dem geldpolitischen Zielwert von 2 Prozent.

Insbesondere die Teuerung im Dienstleistungssektor war weiterhin deutlich erhöht. Sie lag über den langjährigen Mittelwerten – im Euroraum zum Jahresende bei 4,0 Prozent und damit unverändert gegenüber dem Januarwert.

Positive Entwicklung der Finanzmärkte trotz großer Unsicherheit

Das Jahr 2024 war durch große Unsicherheit geprägt. Ursachen waren der anhaltende Krieg in der Ukraine, die Verschärfung des Nahostkonflikts sowie die erhöhte politische Unsicherheit, etwa durch das Aus der Ampelregierung in Deutschland, die Regierungskrise in Frankreich sowie die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten. Dennoch entwickelten sich die Finanzmärkte eher positiv. Hierzu trugen sowohl die Zinssenkungen der Notenbanken als auch die Aussicht auf weitere Zinssenkungen bei. Der KI-Boom prägte die Aktienmärkte. Er führte vor allem bei Technologiewerten zu starken Kursanstiegen. Dennoch war die Nervosität der Finanzmarktakteure insbesondere mit Blick auf die Zinssenkungen spürbar. Andeutungen von Notenbankern über künftige Zinsschritte oder auch einzelne Datenveröffentlichungen, die Hinweise auf künftige Zinsentscheidungen geben könnten, sorgten regelmäßig für hohe Volatilität und gehörten zu den marktbewegenden Themen des Jahres.

USA: Fed auf gutem Kurs für weiche Landung

Nachdem die US-Notenbank ihren geldpolitischen Straffungskurs mit einem Leitzinskorridor von 5,25 bis 5,5 Prozent Mitte 2023 beendet hatte, leitete sie in der zweiten Jahreshälfte 2024 die Zinssenkungsphase ein. Auch der Abbau der Bestände an Staatsanleihen und Mortgagebacked Securities (hypothekarisch besicherte Wertpapiere) wurde fortgesetzt, allerdings ab Juni bei Staatsanleihen mit vermindertem Tempo. Gut ausgefallene Daten zur konjunkturellen Lage in den USA stimmten hoffnungsvoll, dass die Fed ein sogenanntes soft landing erreichen wird, das heißt eine Rückführung der hohen Inflation ohne starke konjunkturelle Einbußen.

Fed startet beherzt und wird zum Jahresende vorsichtiger

Konkret begann der Zinssenkungszyklus auf der Notenbanksitzung Mitte September mit einer überraschend starken Zinssenkung um 50 Basispunkte. Er wurde im November und Dezember mit je einem Trippelschritt um 25 Basispunkte fortgesetzt. Damit lag der Leitzins in den USA zum Jahresende in einem Korridor von 4,25 Prozent bis 4,5 Prozent. Die Wiederwahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten und die damit verbundene Aussicht auf eine protektionistische Wirtschaftspolitik erhöhte die Unsicherheit und ein stärkerer Preisdruck ließ die Erwartungen der Marktteilnehmer an weitere Zinssenkungen 2025 durch die Fed zum Jahresende sinken.

Europa: EZB zwischen persistenter Inflation und schwachem Konjunkturausblick

Ähnlich wie die US-amerikanische Notenbank erreichte auch die EZB den Höhepunkt ihrer Leitzinsen im Jahr 2023. Der Satz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität betrug 4,75 Prozent, für die Hauptrefinanzierungsfazilität 4,5 Prozent und für die aufgrund der Überschussliquidität entscheidende Einlagefazilität 4,0 Prozent. Nachdem die EZB die Leitzinsen in der ersten Jahreshälfte unverändert ließ, begann sie Anfang Juni mit Zinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte.

Neben dem Rückgang der Inflation gab vor allem die Verschlechterung der konjunkturellen Lage im Euroraum Anlass zur Lockerung des geldpolitischen Restriktionsgrads. Insgesamt wurden im September, Oktober und Dezember noch drei weitere Zinssenkungen vorgenommen. So lag der Zinssatz für die Einlagefazilität zum Jahresende bei 3,0 Prozent und damit um 100 Basispunkte niedriger als zu Jahresbeginn. Durch die im März 2024 beschlossene Änderung des geldpolitischen Handlungsrahmens wurde der Zinsunterschied zwischen dem Hauptrefinanzierungsgeschäft und der Einlagefazilität von 50 Basispunkten auf 15 Basispunkte reduziert. Diese Änderung trat im September 2024 in Kraft. Damit lag der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte zum Jahresende bei 3,15 Prozent und der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 3,4 Prozent. Der geldpolitische Kurs wird weiterhin über den Einlagezins gesteuert, in dessen Nähe sich die Geldmarktsätze bewegen. Durch die Verringerung des Abstands zum Hauptrefinanzierungssatz wird die Schwankungsbreite des Geldmarktsatzes stärker als bislang begrenzt.

Renditen von Bundesanleihen, Monatsenddaten

in Prozent

10-jährige Restlaufzeit:

5-jährige Restlaufzeit:

2-jährige Restlaufzeit:


Quelle: Refinitiv

Allmählicher Abbau der Anleihebestände bei der EZB

Neben den Zinssenkungen wurde die bereits laufende Bilanznormalisierung durch den allmählichen Abbau von Anleihebeständen aus dem Anleihekaufprogramm (APP) und dem pandemiebedingten Kaufprogramm (PEPP) fortgesetzt. Da fällige Anleihen nicht mehr reinvestiert werden, nahm der Bestand des APP-Portfolios kontinuierlich ab. Auch der Bestand des PEPP-Portfolios begann im Laufe des Jahres zu sinken. Wurden bis zur Jahresmitte noch die Beträge der fällig werdenden Anleihen reinvestiert, so wurde das PEPP-Programm, wie Ende 2023 beschlossen, ab Juli monatlich um 7,5 Milliarden Euro reduziert. Auf der geldpolitischen Sitzung im Dezember 2024 beschloss der EZB-Rat dann, wie zuvor angekündigt, die Reinvestitionen in das PEPP-Portfolio zu beenden. Zum Jahresende lag der Bestand an Wertpapieren aus beiden Kaufprogrammen bei rund 4,3 Billionen Euro. Auch die Rückzahlungen der Banken aus den gezielten langfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTROs) liefen zum Jahresende aus.

Anleihemärkte im Sog der Geldpolitik

Die Inflations- und Zinserwartungen sowie die geldpolitischen Entscheidungen der Notenbanken blieben auch 2024 die treibenden Kräfte an den Anleihemärkten. Vor allem in der ersten Jahreshälfte fielen die Kurse. Die invers dazu verlaufenden Renditen stiegen entsprechend. Marktteilnehmer, die zu Jahresbeginn noch mit einer geldpolitischen Lockerung im Frühjahr gerechnet hatten, verschoben ihre Zinssenkungserwartungen vorübergehend nach hinten. Die zehnjährige Bundesanleihe begann das Jahr bei 2,03 Prozent und stieg bis zur ersten Leitzinssenkung der EZB im Juni auf einen Höchstschlussstand von 2,68 Prozent am 29. Mai. Im weiteren Jahresverlauf stiegen die Kurse mit den Zinssenkungen der EZB zunächst an und die Rendite fiel bis Anfang Oktober auf 2,04 Prozent und damit in die Nähe des Niveaus vom Jahresanfang. Im letzten Quartal des Jahres 2024 kam es dann zu einer erhöhten Volatilität, da die weitere Gangart der Geldpolitik unklar blieb. Bis Mitte November stiegen die Renditen zunächst wieder an, um dann bis Anfang Dezember in etwa auf das Niveau vom Oktober zurückzufallen. In den letzten Handelswochen kam es zu einem erneuten Renditeanstieg. Die zehnjährige Bundesanleihe schloss 2,36 Prozent höher als zu Jahresbeginn.

Wechselkursentwicklung, US-Dollar pro Euro, Monatsdurchschnitt

DAX-Entwicklung, Indexpunkte, Monatsdurchschnitt

US-Präsidentschaftswahl lässt Renditen zum Jahresende steigen

Die Renditen amerikanischer und britischer Anleihen entwickelten sich ähnlich wie im Euroraum, allerdings auf höherem Niveau. Zehnjährige US-Anleihen bewegten sich zwischen 3,62 Prozent am 16. September, kurz vor der ersten Leitzinssenkung der Fed, und 4,70 Prozent am 25. April, als die Leitzinssenkung noch ungewiss war. Auch in den USA stiegen die Renditen im letzten Quartal 2024 wieder an und schlossen zum Jahresende mit 4,57 Prozent deutlich über den Renditen von 3,87 Prozent zu Jahresbeginn. Die ausgeprägte Volatilität und der Renditeanstieg zum Jahresende dürften weitgehend auf die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten zurückzuführen sein. Die Aussicht auf eine protektionistischere Wirtschaftspolitik und die gestiegene Unsicherheit führten zu Befürchtungen eines erneuten Inflationsschubs, insbesondere in den USA, und damit zu der Aussicht auf weniger Zinssenkungen, was die Anleiherenditen nach oben trieb.

Renditestruktur am Anleihemarkt nicht mehr invers

Insgesamt normalisierte sich die Zinsstrukturkurve wieder. Für deutsche und amerikanische Anleihen – gemessen an der Renditedifferenz von Anleihen mit Restlaufzeiten von zehn Jahren und zwei Jahren – ist sie nicht mehr invers. Somit wirkten sich die Zinssenkungen stärker auf kürzer laufende Papiere aus, während länger laufende Anleihen auf Jahressicht sogar zulegten. Besonderes Aufsehen erregten französische Anleihen, die aufgrund der Regierungskrise in Frankreich im Juni und damit verbundenen Sorgen über die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung besonders stark anstiegen. Am 1. Juli erreichten sie mit 3,35 Prozent bezogen auf Schlusskurse ihren Jahreshöchststand. Der Zinsaufschlag für zehnjährige Anleihen gegenüber deutschen Papieren stieg von 0,5 Prozentpunkten auf 0,82 Prozentpunkte und verharrte bis zum Jahresende – abgesehen von kleineren Schwankungen – auf diesem Niveau.

Euro gibt zum Jahresende gegen US-Dollar deutlich nach

Die europäische Gemeinschaftswährung startete mit einem Kurs von 1,105 US-Dollar in das Jahr 2024. Sie bewegte sich in den ersten drei Quartalen bezogen auf die Schlusskurse zwischen 1,063 US-Dollar am 15. April und 1,118 US-Dollar am 27. September. Auf leichte Abwertungen folgten somit leichte Aufwertungen. Erst im letzten Quartal zeigte der US-Dollar, vor allem nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten, eine deutliche Stärke und der Euro wertete merklich ab. Er schloss das Jahr mit einem Tiefststand von 1,036 US-Dollar. Die sich weiter eintrübenden Konjunkturdaten im Euroraum und insbesondere in Deutschland dürften den Euro gegenüber dem US-Dollar vor allem zum Jahresende hin geschwächt haben. Auch die Aussicht auf eine protektionistischere Wirtschaftspolitik und die damit verbundenen veränderten Zinserwartungen in den USA sowie die Risiken aus dem Krieg in der Ukraine dürften gegen den Euro gewirkt haben.

International zeigt der Euro Stärke

Der nominale effektive Wechselkurs des Euro gegenüber der Gruppe der 41 wichtigsten Handelsländer erreichte jedoch Mitte August ein neues Allzeithoch. Er beendete das Jahr nahe dieses Höchststands. Bereinigt um die Inflation lag der reale effektive Wechselkurs leicht über seinem Zehnjahresdurchschnitt. Ein Anstieg des effektiven Wechselkurses weist dabei auf eine Aufwertung, also eine gesunkene preisliche Wettbewerbsfähigkeit im Euroraum hin.

DAX schließt nahe Rekordhoch

Für die Aktienmärkte ging es 2024 deutlich aufwärts. Viele wichtige Aktienindizes erreichten neue Rekordstände. Angesichts der weiter bestehenden Krisenherde und der sich eintrübenden konjunkturellen Lage insbesondere in Deutschland übertraf die positive Entwicklung vielerorts die Erwartungen. Zudem war bereits 2023 ein gutes Börsenjahr. Der DAX startete mit 16.751 Punkten ins Jahr 2024 und bewegte sich bis Ende März Richtung 18.500 Punkte. Von dort aus tendierte der deutsche Leitindex zunächst seitwärts mit leichten Ausschlägen nach unten und oben.

Marktschock in Japan …

Im August kam es dann kurzzeitig zu einer Marktpanik in Japan. Der japanische Nikkei-Index verzeichnete den größten prozentualen Rückgang seit dem 20. Oktober 1987 (Black Monday). Er verlor an einem Handelstag, bezogen auf die Schlusskurse, 12,4 Prozent und insgesamt innerhalb von drei Handelstagen fast 20 Prozent. Dies strahlte auch auf den DAX aus. Innerhalb weniger Handelstage ging er um über 1.100 Punkte (6,3 Prozent) auf Schlusskursbasis zurück. Der Volatilitätsindex VIX stieg auf Werte, die zuletzt während der Corona-Pandemie erreicht wurden. Nachdem es bereits im Laufe des Julis zu ersten Turbulenzen an den Märkten gekommen war, kam es Anfang August zu den stärksten Bewegungen. Auslöser der Marktpanik waren die als restriktiv empfundenen Zinserhöhungen der japanischen Notenbank sowie schwache Arbeitsmarktdaten aus den USA. Aufgrund des Anstiegs eines Rezessionsindikators ließ sie Befürchtungen über eine mögliche Rezession in den USA aufkommen. Dies wiederum führte zu einer deutlichen Abwertung des US-Dollars und löste eine Verkaufswelle bei spekulativen Geschäften, sogenannten Carry Trades, aus. Dabei leihen sich Investoren Geld zu niedrigeren Zinsen, etwa in Yen, und legen es in höher verzinslichen Werten, etwa Dollarwerten, an. Wertet der Dollar stark ab, müssen die offenen Positionen schnell aufgelöst werden, um Verluste zu begrenzen. Da dies zu zusätzlichen Dollarverkäufen führt, verstärkt sich der Abwertungstrend weiter.

… vom DAX schnell überwunden

Auf die Kursverluste im August folgte umgehend die Erholung. Der DAX setzte zu einem Aufwärtstrend an, der – abgesehen von einer kurzen Seitwärtsphase im November – am 12. Dezember mit einem Allzeithoch von 20.426 Punkten endete. In den letzten Handelstagen des Jahres gab der DAX leicht nach. Er schloss mit 19.909 Punkten und einem Gewinn von 18,85 Prozent im Jahresendvergleich. Die amerikanischen Werte entwickelten sich überwiegend noch stärker. Der S&P 500 Composite legte insgesamt um 23,31 Prozent zu, der technologielastigere NASDAQ Composite sogar um 28,64 Prozent. Auch die europäischen Aktienmärkte beendeten das Jahr insgesamt im Plus: Der EURO STOXX 50 mit einem Plus von 8,28 Prozent. Der französische CAC 40 hingegen verlor 2,15 Prozent, da die Finanzmarktteilnehmer wegen der Regierungskrise in Frankreich zurückhaltender waren. Der britische FTSE 100 legte um 5,69 Prozent zu. Auch die japanischen Aktienindizes, die von der Marktpanik im August besonders stark betroffen waren, erholten sich schnell und übertrafen 2024 sogar ihre Höchststände von Ende 1989, vor dem Ausbruch der Japankrise 1990.