Genossenschaftsbanken im Geschäftsjahr 2022

Operativ stark:
Vorübergehende Wertkorrekturen –
Kapitalstärke ist tragende Kraft

Die 737 deutschen Genossenschaftsbanken stellten 2022 ihre Stärke im operativen Geschäft erneut unter Beweis. Der Zinsüberschuss legte um 8,2 Prozent zu, der Provisionsüberschuss um 2,1 Prozent. Das operative Teilbetriebsergebnis wuchs um 12,5 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro. Temporäre Wertberichtigungen auf die eigenen Wertpapieranlagen und eine erhöhte Kreditrisikovorsorge führten zu einem gut verkraftbaren Bewertungsergebnis von −4,5 Milliarden Euro. Das Kundengeschäft entwickelte sich 2022 robust. Die Volumina im Kredit- und Einlagengeschäft wuchsen weiter. Die im Jahresverlauf rückläufigen Finanzierungsanfragen bremsten das Kreditwachstum 2022 nur leicht. Insgesamt legten die Kreditbestände um 6,5 Prozent auf 757 Milliarden Euro zu. Die Kundeneinlagen stiegen um 3,4 Prozent auf 861 Milliarden Euro, die addierte Bilanzsumme aller Genossenschaftsbanken um 30 Milliarden Euro (2,7 Prozent) auf 1.175 Milliarden Euro.

6,5 Prozent:
Kreditbestände legen weiter zu

Im Kreditbereich der Genossenschaftsbanken kam es per Ende 2022 zu größeren Verschiebungen und Bestandsveränderungen. Die angesichts hoher Inflation und Energiepreise rückläufigen Finanzierungsanfragen sowie die im zweiten Halbjahr gesunkene Vergabe neuer Kredite bremsten auf Jahressicht das Kreditwachstum nur leicht. So wurde hier die Rekordmarke von 6,9 Prozent (2021) nur leicht unterschritten. Denn: Um 6,5 Prozent nahmen die Kreditbestände der Genossenschaftsbanken an Nichtbanken 2022 zu. Sie wuchsen damit auf 757 Milliarden Euro. Die langfristigen Forderungen stiegen um 6,2 Prozent auf 679 Milliarden Euro. Durch die anziehende Kreditnachfrage im kurzfristigen (11,5 Prozent) und mittelfristigen Bereich (8,7 Prozent) lag der prozentuale Zuwachs im Kreditgeschäft mit 6,5 Prozent insgesamt etwas höher. Das ist ein Plus von gut 46 Milliarden Euro. Die kurzfristigen Forderungen wuchsen auf 33 Milliarden Euro, die mittelfristigen Forderungen auf 45 Milliarden Euro.

Dabei legten die Kreditbestände in beiden Geschäftsfeldern – Privat- und Firmenkundengeschäft – zu. Treiber des hohen langfristigen Kreditwachstums: die bis in die erste Jahreshälfte hohe Nachfrage nach langfristigen Immobilienkrediten von Privatkunden. Die Kredite an Privatkunden wuchsen insgesamt um 5,0 Prozent auf 358 Milliarden Euro. Gut 90 Prozent diese Kredite waren Wohnbaukredite, die um 6 Prozent auf 320 Milliarden Euro wuchsen. Ferner sicherten sich Unternehmen und Selbstständige sowie sonstige Firmenkunden angesichts des ungewissen wirtschaftlichen Fortgangs Liquidität und Kreditlinien. Die Firmenkundenkredite, einschließlich der Kredite an sonstige Kunden, stiegen um 7,9 Prozent auf 399 Milliarden Euro.

Private Wohnbaufinanzierung:
Verhaltener Ausblick

Der Ausblick auf die private Wohnbaufinanzierung bleibt verhalten. Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 war ein Nachfragerückgang bei Immobilienfinanzierungen erkennbar. Die Neugeschäftsvolumina sanken im vierten gegenüber dem dritten Quartal um etwa ein Fünftel. Aufgrund der immer noch kräftig steigenden Kreditzinsen wird der Boom am Wohnimmobilienmarkt weiter nachlassen. Das gedämpfte Einkommenswachstum der Privathaushalte bei noch sehr hoher Inflation sowie den weiterhin hohen Immobilien- und Baupreisen werden 2023 zu einer moderaten privaten Kreditnachfrage für den Wohnbau führen. Zusätzlich dürften die Spielräume der Kreditvergabe für Genossenschaftsbanken durch weitere aufsichtliche Vorgaben kleiner werden. Denn: Bei der Eigenmittelunterlegung sind seit Februar 2023 ein antizyklischer Kapitalpuffer von 0,75 Prozent und ein sektoraler Systemrisikopuffer auf die Risikoaktiva von Wohnimmobilien von 2,00 Prozent zu berücksichtigen.

So dürfte das Jahreswachstum der privaten Wohnbaufinanzierung der Genossenschaftsbanken im Jahr 2023 von derzeit 6,0 Prozent auf der Höhe des langfristigen Trends von knapp 5,0 Prozent liegen.

Sicht-, Termineinlagen, Sparbriefe im Plus — Spareinlagen rückläufig

Nachdem während der Corona-Einschränkungen kräftig gespart wurde, normalisiert sich die Einlagenbildung im kurzfristigen Bereich weiter. Die gestiegenen Unsicherheiten durch den UkraineKrieg dürften das Wachstum der Kundeneinlagen erhöhen. Andererseits drückt die hohe Inflation auf die Kaufkraft. Die Sparfähigkeit der Kundinnen und Kunden geht weiter zurück. Insgesamt ist von einer Sparquote von knapp über 11 Prozent für 2022 auszugehen. Die täglich fälligen Sichtguthaben nahmen zwar weiter zu, aber sie wuchsen geringer als in den Quartalen seit März 2020, dem Beginn der Corona-Pandemie. Auch die Termineinlagen legten durch den allgemeinen Zinsanstieg deutlich zu. Bei weniger liquiden Bankprodukten, insbesondere den Spareinlagen, zogen die Kunden Gelder ab. Parallel zog aber der Bestand an Sparbriefen an.

Die Genossenschaftsbanken steigerten ihre Kundeneinlagen seit Dezember 2021 um 28 Milliarden Euro oder 3,4 Prozent auf 861 Milliarden Euro. Treiber dieses absoluten Zuwachses: die Sichteinlagen. Sie stiegen um 20 Milliarden Euro (3,3 Prozent) auf 626 Milliarden Euro. Der Bestand an Termineinlagen nahm angesichts der im zweiten Halbjahr anziehenden Guthabenzinsen um 32,2 Prozent (14 Milliarden Euro) auf 56 Milliarden Euro ebenfalls deutlich zu. Der Sparbriefbestand stieg um 53,0 Prozent auf 6 Milliarden Euro. Die Spareinlagen sanken um knapp 8 Milliarden Euro (4,1 Prozent) auf 174 Milliarden Euro.

Bilanzielles Eigenkapital:
+5,2 Prozent

Die Genossenschaftsbanken steigerten 2022 ihr bilanzielles Eigenkapital um deutliche 5,2 Prozent auf 62 Milliarden Euro. Die Rücklagen legten um 3,3 Prozent auf 45,8 Milliarden Euro zu. Die Geschäftsguthaben (gezeichnetes Kapital) wuchsen um 10,7 Prozent auf 16,5 Milliarden Euro.

Bilanzsumme:
1,2 Billionen Euro

Die aggregierte/addierte Bilanzsumme aller Genossenschaftsbanken erhöhte sich im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent auf 1.175 Milliarden Euro. Die durchschnittliche Bilanzsumme je Institut liegt derzeit bei gut 1,6 Milliarden Euro. Dabei reicht die Spannweite bei den Bilanzsummen unter den Genossenschaftsbanken von gut 30 Millionen Euro für die kleinste bis 54 Milliarden Euro für die größte Bank.

35 Fusionen:
737 Genossenschaftsbanken

Der Konsolidierungsprozess unter den Instituten setzte sich gegenüber 2021 leicht verringert fort. Die Zahl der selbstständigen Genossenschaftsbanken lag Ende 2022 bei 737 Banken. Sie sank fusionsbedingt um 35 Institute (4,5 Prozent). 62 Banken betrieben neben dem Bankgeschäft auch das Warengeschäft (2021: 67 Institute).

VR Banking App:
Nutzungsquote erhöht

Der rückläufige Trend bei der Nutzung von Filialen durch Privat- und Firmenkunden setzte sich 2022 fort. Die Corona-Pandemie beschleunigte dies. Kundinnen, Kunden und Mitglieder gingen seltener persönlich in die Zweigstellen. Sie nutzten immer mehr die digitalen Angebote und Services. Die Nutzungsquote der VR Banking App erhöhte sich dabei erheblich. Schließlich konnte die Attraktivität der App durch funktionalen Ausbau sowie Design- und Usability-Optimierungen im Zuge der Digitalisierungsoffensive erheblich erhöht werden. Die neue VR Banking App hat sich damit als zen-traler mobiler Zugangsweg bei den Kundinnen und Kunden der Genossenschaftsbanken fest etabliert. Auch Digital-persönliches Banking im KundenServiceCenter wurde von ihnen verstärkt genutzt.

Strukturwandel bei den Zweigstellen

Verminderte Kundenkontakte in der Filiale und die weiter voranschreitende Nutzung digitaler Angebote manifestieren sich in einem Strukturwandel bei den personenbesetzten Zweigstellen. Gleichwohl wirkte sich dieser Effekt in den Jahren 2021 und 2022 gegenüber dem ersten Pandemiejahr 2020 weniger dynamisch aus. Die Zahl der Zweigstellen sank 2022 um 527 (7,2 Prozent) auf 6.775. Die Zahl der Bankstellen (Hauptstellen plus personenbesetzte Zweigstellen) sank um 562 (7,0 Prozent) auf 7.512.

Kernfunktionen in Filialen gestärkt

Zugleich wurden Kernfunktionen der Zweigstellen/Filialen — wie bediente Servicefunktion und Beratungsfunktion — in den verbleibenden Filialen gestärkt. In den letzten Jahren ist eine deutliche Entwicklung hin zu größeren Filialen zu erkennen. Deutlich wird dies auch durch den Abbau von Kleinstfilialen mit bis zu drei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie sind in den letzten Jahren auf etwas mehr als vier Zehntel aller Zweigstellen gesunken. Gleichzeitig stieg die Zahl größerer Filialen mit mehr als drei Mitarbeitern auf rund 60 Prozent. Die Zahl der SB-Stellen sank leicht um 73 auf 4.102 (2021: 4.175, Veränderung zum Vorjahr: −1,7 Prozent).

Mobile Zahlweisen führen zu Rückgang bei Bargeldquellen

Die nachlassende Nutzung von Bargeld, der Bezug von Bargeld an Ladenkassen (POS) per girocard sowie die Nutzung mobiler Bezahlverfahren führen zu einem steten Rückbau bestehender Bargeldquellen — insbesondere bei der Zahl der Geldautomaten (GA). Ende 2022 gab es bei den Genossenschaftsbanken 15.520 GA. Ihre Anzahl ging damit gegenüber 2021 um 789 zurück. Der hohe Rückgang in den beiden letzten Jahren von gut 1.800 GA dürfte auch als Ergebnis der Risikoanalyse von GA-Standorten und des umgesetzten bankindividuellen Sicherheitskonzepts zu werten sein. Die Ziele: die Gefahr einer GA-Sprengung minimieren und den Schutz von Personen und Sachwerten verbessern.

Demografie:
Mitgliederzahlen gehen leicht zurück

2022 konnten die Genossenschaftsbanken gut 270.000 neue Mitglieder gewinnen (Bruttozugänge). Nach vielen Jahren deutlicher Mitgliederzuwächse konnten die Genossenschaftsbanken diese im vergangenen Jahr jedoch netto nicht verzeichnen. Derzeit beträgt die Zahl der Mitglieder 17,9 Millionen (2021: 18,2 Millionen). Das ist ein Nettorückgang von 231.000 (1,3 Prozent). Zur Stärkung der Eigenkapitalbasis wurde zudem die Beteiligungsmöglichkeit der Mitglieder durch Zeichnung zusätzlicher Geschäftsanteile genutzt. Mit dem höheren Zinsniveau werden sich auch künftig die Dividenden auf Geschäftsanteile bei Genossenschaftsbanken tendenziell erhöhen. Damit verbessert sich die Attraktivität der Mitgliedschaft weiter.

Ertragslage

Das Jahr 2022 war schwierig. Auch die Genossenschaftsbanken mussten mit hoher Unsicherheit, steigenden Preisen und einer Zinsentwicklung zurechtkommen, die sonst nur in Stressberechnungen Verwendung findet. Grundsätzlich ist ein höheres Zinsniveau gut für die Ertragslage von Banken. Steigende Zinsen führen aber auch zu Marktwertverlusten bei Wertpapieranlagen. Diese gilt es zu verkraften. Angesichts des Zinsniveaus Ende 2022 war offensichtlich, dass dieses Jahr höhere Abschreibungen auf Wertpapiere (5,8 Milliarden Euro), auch wenn grundsätzlich nur temporär, auftreten werden.

Zugleich konnten die Genossenschaftsbanken im operativen Geschäft ihre Kraft erneut unter Beweis stellen. Sie erwirtschafteten im Geschäftsjahr 2022 ein Betriebsergebnis vor Bewertung von 9,1 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 15 Prozent. Die Eigenkapitalrentabilität vor Steuern erreichte nun 7,2 Prozent, nach 13,2 Prozent im Jahr 2021.

Ergebnisse im Detail

Der Zinsüberschuss der Genossenschaftsbanken stieg 2022 um 8,2 Prozent auf 17,7 Milliarden Euro. Diese positive Entwicklung resultiert aus einer mit 3,7 Prozent leichten Steigerung der Zinsaufwendungen und einer etwas größeren Steigerung der Zinserträge von 7,8 Prozent auf 19,5 Milliarden Euro. Dass der Zinseffekt nicht nur aus dem Bilanzsummenwachstum resultiert, sondern von der Zinswende beeinflusst wird, erkennt man am Anstieg der Zinsspanne von 1,47 Prozent (2021) auf 1,52 Prozent. Der Provisionsüberschuss wuchs um 2,1 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro.

Die allgemeinen Verwaltungsaufwendungen stiegen 2022 um 3,7 Prozent auf 15,8 Milliarden Euro. Der Personalaufwand legte um 3,2 Prozent auf 8,9 Milliarden Euro zu. 2022 beschäftigten die Genossenschaftsbanken 134.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Zahl der Auszubildenden lag mit 8.400 ebenfalls auf Vorjahresniveau. Die anderen Verwaltungsaufwendungen wuchsen um 4,4 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro. Dies erklärt sich vor allem mit dem deutlichen Anstieg der Energiekosten und der allgemeinen Teuerung.

Das Ergebnis der operativen Geschäftstätigkeit, das Teilbetriebsergebnis, wuchs um 12,5 Prozent auf 8,1 Milliarden Euro. Setzt man die Verwaltungsaufwendungen zu den Zins- und Provisionsüberschüssen in Relation, konnten die Genossenschaftsbanken die Cost-Income-Ratio von 67,8 Prozent auf 66,0 Prozent, verbessern.

Inklusive des Saldos der sonstigen betrieblichen Erträge und Aufwendungen sowie des Ergebnisses aus dem Warengeschäft erreichte das Betriebsergebnis vor Bewertung 9,1 Milliarden Euro. Das ist gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 15 Prozent. Das Bewertungsergebnis der Genossenschaftsbanken erreichte 2022 insgesamt −4,5 Milliarden Euro.

Der Jahresüberschuss vor Steuern sinkt um 42,9 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro. Dennoch konnten die Genossenschaftsbanken ihre bereits solide Eigenkapitalausstattung weiter stärken: Dem Fonds für allgemeine Bankrisiken werden voraussichtlich 930 Millionen Euro zugeführt. Nach Steuern bleibt damit ein Jahresüberschuss von 2,2 Milliarden Euro. Dies zeigt: Die Genossenschaftsbanken können die jetzigen Belastungen gut verkraften. Sie sind für die Zukunft gut aufgestellt.

Solide Basis in volatilen Zeiten

Das Marktumfeld bleibt weiterhin unsicher und volatil. Die hohe Inflation sowie steigende Rohstoffpreise insbesondere im Energiebereich belasten die Unternehmen und privaten Haushalte und können über eine verminderte Kapitaldienstfähigkeit das Kreditrisiko am Markt erhöhen. Auf diese zu erwartenden steigenden Kreditrisiken sind die Institute vorbereitet. Die Genossenschaftsbanken verfügen über einen soliden Einlagenüberhang und eine solide Kapitalbasis, um weiterhin aktives Kreditgeschäft zu betreiben und möglichen Risiken zu begegnen.