Zusammengefasster Chancen- und Risikobericht

Grundlagen

Die folgende Beschreibung zum Risikomanagement orientiert sich an der Struktur und Funktionsweise des institutsbezogenen Sicherungssystems der genossenschaftlichen FinanzGruppe als primärer Ebene und bezieht als sekundäres Element das Risikomanagement der einzelnen Institute mit ein. Das Risikomanagement auf Ebene des Sicherungssystems konzentriert sich dabei im Wesentlichen auf die Prävention von Schieflagen einzelner Institute.

Die Risikoberichterstattung umfasst alle Gesellschaften des handelsrechtlichen Konsolidierungskreises des Konsolidierten Jahresabschlusses. Der handelsrechtliche Konsolidierungskreis des Konsolidierten Jahresabschlusses ist somit umfassender als der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis und ist nicht auf die Mitglieder des Sicherungssystems begrenzt.

Risikomanagement in einer dezentralen Organisation

Die Stabilität der gesamten genossenschaftlichen FinanzGruppe und das Vertrauen in die Bonität all ihrer Mitglieder werden durch die Sicherungseinrichtung des BVR und die BVR Institutssicherung GmbH gewährleistet. Beide gemeinsam, jede in ihrem Funktions- und Aufgabenbereich, bilden das Rückgrat des Risikomanagements der genossenschaftlichen FinanzGruppe.

Institutsbezogenes Sicherungssystem der genossenschaftlichen FinanzGruppe

Die Sicherungseinrichtung des BVR (BVR-SE)
Die BVR-SE ist das älteste und vollständig ohne staatliche Unterstützung finanzierte Banken-Sicherungssystem in Deutschland und weltweit. Dieses System hat seit seinem Bestehen stets sichergestellt, dass alle einbezogenen Banken ihren finanziellen Verpflichtungen – insbesondere gegenüber Privatkunden mit ihren Einlagen – nachkommen konnten. Die BVR-SE unterliegt der Aufsicht und Überwachung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Nach dem Inkrafttreten des Einlagensicherungsgesetzes (EinSiG) am 3. Juli 2015 und der dadurch erforderlich gewordenen Etablierung eines gesetzlich anerkannten Einlagensicherungssystems wird die BVR-SE als zusätzliches freiwilliges institutssicherndes System gemäß § 2 Absatz 2, 61 EinSiG fortgeführt.

Zentrale Aufgaben der BVR-SE sind die Gewährleistung der Stabilität durch die Abwendung drohender oder die Behebung bestehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten bei den angeschlossenen Instituten sowie die Verhütung von Beeinträchtigungen des Vertrauens in die genossenschaftliche FinanzGruppe. Zur Bewältigung von in diesem Zusammenhang notwendigen Stützungsmaßnahmen steht der BVR-SE der Garantiefonds zur Verfügung, der durch die Beiträge der Mitgliedsbanken gespeist wird. Darüber hinaus stehen die Institute bei Bedarf mit zusätzlichen Mitteln (Garantieverpflichtungen) füreinander ein.

Gemäß den Darstellungen in ihrem Geschäftsbericht war die BVR-SE im Berichtsjahr 2022 in der Lage, ihre satzungsgemäßen Aufgaben, insbesondere den Institutsschutz, zu erfüllen. Am 31. Dezember 2022 gehörten der BVR-SE insgesamt 744 (Vorjahr: 781) Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe an. Der Rückgang ist ausschließlich auf Verschmelzungen innerhalb der genossenschaftlichen FinanzGruppe zurückzuführen.

Die BVR Institutssicherung GmbH (BVR-ISG)
Die BVR-ISG ist ein amtlich anerkanntes Einlagensicherungssystem und betreibt seit dem 1. Juli 2015 ein aufsichtsrechtlich anerkanntes institutsbezogenes Sicherungssystem im Sinne von Artikel 113 Absatz 7 der Verordnung (EU) 575/2013 für CRR-Kreditinstitute. Durch den Betrieb des institutsbezogenen Sicherungssystems erfüllt die BVR-ISG somit die ihr satzungsgemäß obliegende Aufgabe, drohende oder bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten bei ihren Mitgliedern abzuwenden oder zu beheben (Institutsschutz).

Zu diesem Zweck ergreift die BVR-ISG gegebenenfalls Präventiv- und Sanierungsmaßnahmen. Sofern die BaFin gemäß § 10 EinSiG den Entschädigungsfall eines dem BVR-ISG-Sicherungssystem angehörenden CRR-Kreditinstituts feststellt, entschädigt die BVR-ISG dessen Kunden nach Maßgabe der §§ 5 bis 16 EinSiG. Insofern erfüllt die BVR-ISG den gesetzlichen Einlagenschutz für die Kunden.

Zusammen mit der BVR-SE bildet die BVR-ISG das duale Sicherungssystem der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Dem BVR-ISG-Sicherungssystem gehören diejenigen CRR-Kreditinstitute an, die auch dem BVR angehören und der BVR-SE angeschlossen sind. Zum 31. Dezember 2022 waren dies 742 (Vorjahr: 779) CRR-Kreditinstitute und damit alle in Deutschland von der BaFin zugelassenen Banken der genossenschaftlichen FinanzGruppe.

Die BVR-ISG unterliegt gemäß § 50 Absatz 1 EinSiG der Aufsicht der BaFin sowie der Überwachung durch den Bundesrechnungshof hinsichtlich der Aufgaben bei der Einlegerentschädigung nach den §§ 5 bis 16 EinSiG und hinsichtlich der Finanzierung und Zielausstattung nach den §§ 17 bis 19 EinSiG.

Die Organisation und die Entscheidungsstrukturen der BVR-ISG entsprechen, soweit im Rahmen des EinSiG möglich, der Organisation und den Entscheidungsstrukturen der BVR-SE. Zur Abwicklung des laufenden Geschäftsbetriebs greift die BVR-ISG auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags auf das Personal des BVR zurück, das die entsprechenden Tätigkeiten auch für die BVR-SE wahrnimmt. Hierin enthalten sind unter anderem das Risikomonitoring und die Risikobewertung aller der BVR-ISG angehörenden CRR-Kreditinstitute.

Die Aktivitäten der BVR-ISG im Berichtsjahr 2022 lagen in der Erfüllung der satzungsgemäßen, gesetzlichen und regulatorischen Aufgaben. Die risikoorientierte Beitragserhebung, die den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) entspricht, und die Mittelverwaltung standen dabei ebenso im Mittelpunkt wie umfangreiche operative Stresstests sowie die Einführung des IPS-Sanierungsplans gemäß der Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute (MaSanV). Im Verlaufe des gesamten Geschäftsjahres hat die BVR-ISG keine Maßnahmen für Einleger oder Banken ergreifen sowie auch keine Ausgleichszahlungen gemäß § 145 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) leisten müssen und blickt insofern auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2022 zurück.

Risikoidentifikation und -analyse

Grundstrukturen
Die genossenschaftliche FinanzGruppe ist eine dezentrale Organisation von rechtlich selbstständigen Instituten, die über das duale Sicherungssystem haftungsmäßig miteinander verbunden sind. Dieses dezentrale Element ist auch ein wesentlicher Unterschied zu Bankengruppen mit einer hierarchisch an der Spitze stehenden Obergesellschaft. Somit liegen die unternehmerischen Entscheidungskompetenzen in der Verantwortung jedes einzelnen Instituts und seiner unabhängigen Geschäftsleitungs- und Aufsichtsgremien. Aus dieser dezentralen Struktur leitet sich auch der Schwerpunkt des Risikomanagements des dualen Sicherungssystems ab. Der Schwerpunkt liegt insofern primär nicht auf der isolierten Analyse von einzelnen Risikoarten und ihrem Umfang, sondern sehr wesentlich auf der gesamthaften Analyse der wirtschaftlichen Risikoträger, also der einzelnen Institute. Dieses methodische Grundverständnis stellt sicher, dass bei Feststellung einer geordneten Vermögens- und Risikolage und angemessener Ertragsverhältnisse eines jeden einzelnen Instituts somit auch das Gesamtsystem – also die gesamte genossenschaftliche FinanzGruppe – als Einheit wirtschaftlich geordnet ist.

Das duale Sicherungssystem verfügt über angemessene Systeme zur Risikoidentifikation und -einstufung sowie zur Risikoüberwachung all ihrer Mitglieder und des institutsbezogenen Sicherungssystems insgesamt. Basis der Risikoeinstufung bildet das seit 2003 eingesetzte Klassifizierungssystem der BVR-SE. Es handelt sich dabei um ein jahresabschlussbasiertes Ratingverfahren mit dem Ziel, einen vollständigen und transparenten Überblick über die Vermögens-, Ertrags- und Risikolage aller Mitglieder zu erlangen. Die Einstufung der Bank nach dem Klassifizierungsverfahren bildet zum einen die Grundlage für die Erhebung risikoadjustierter Garantiefondsbeiträge der BVR-SE und ist zum anderen Ausgangspunkt für das Präventionsmanagement.

Die aus der Klassifizierung gewonnenen Erkenntnisse werden durch weitere Analysen und Daten ergänzt, insbesondere aus der Auswertung der Daten des sogenannten jährlichen Betriebsvergleichs. Dabei handelt es sich um einen Datenpool, den der BVR selbst bei seinen Mitgliedsinstituten erhebt und der im Wesentlichen auf Informationen des Rechnungs- und Meldewesens der Institute basiert. Die Daten des jährlichen Betriebsvergleichs bilden die Grundlage für Analysen zur Feststellung und Untersuchung besonderer Auffälligkeiten anhand von Risikokennzahlen. Darüber hinaus entwickelt die BVR-SE themen- und risikobezogene Sonderanalysen (zum Beispiel Untersuchungen über die Effekte der Zinswende und der Risiken aus Wertpapieranlagen im Jahr 2022).

Nach Maßgabe ihrer risikoorientierten Vorgehensweise führt die BVR-SE Einzelbankanalysen durch, die sich auf Institute erstrecken, die für das Sicherungssystem insgesamt von wirtschaftlich wesentlicher Bedeutung sind. Die BVR-SE setzt dabei unter anderem das Konzept der Analyse großer Banken um. Damit trägt sie den Risiken aus der Größenklassenstruktur der angeschlossenen Institute Rechnung.

Für die Risikotragfähigkeit der BVR-SE werden auf Basis verschiedener Stressszenarien mögliche Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt und durch Monte-Carlo-Simulationen die möglichen Sanierungsvolumina berechnet. Hierfür werden szenariobezogene Klassifizierungen unter verschiedenen Annahmen (zum Beispiel Zinsentwicklung, Verschlechterung der Bonität im Kundenkreditgeschäft) vorgenommen.

Klassifizierungsverfahren der BVR-SE
Mit dem Klassifizierungssystem werden die Banken anhand von acht Kennzahlen zur Vermögens-, Ertrags- und Risikolage einer der neun Bonitätsklassen A++ bis D zugeordnet. Dabei stützt sich das Klassifizierungssystem auf quantitative Kennzahlen, für die im Wesentlichen geprüfte Jahresabschlussdaten der Banken und Daten aus ihren Prüfungsberichten herangezogen werden. Mit diesen Daten wird die BVR-SE durch die – für die jeweiligen Banken zuständigen – regionalen Prüfungsverbände IT-technisch versorgt.

In das Klassifizierungsverfahren werden grundsätzlich alle der BVR-SE angeschlossenen Institute einbezogen. Hiervon ausgenommen sind nur wenige Institute, insbesondere die, die von einer externen Ratinggesellschaft eigenständig geratet werden, wie die DZ BANK AG mit ihren Tochterinstituten und die Münchener Hypothekenbank eG.

Grundlage des Klassifizierungsverfahrens 2022 war die Analyse der Jahresabschlussdaten 2021, die im Ergebnis eine nahezu unveränderte Verteilung der Klassifizierungsergebnisse zeigt. Die stabile Entwicklung der Klassifizierungen im Geschäftsjahr 2021 ist wie folgt auf die Bereiche und Kennzahlen zurückzuführen. Die Vermögenslage zeigt eine stabile, aber dennoch leicht rückläufige Entwicklung. Sowohl der risikogewichtete Gesamtrisikobetrag als auch das bilanzielle Geschäftsvolumen weisen ein leicht stärkeres Wachstum auf als die zugrunde liegenden Kapitalpositionen. Leicht positiv hingegen tendiert die Risikolage mit den beiden Blankokreditquoten. Auch die Ertragslage unterstützt die positive Entwicklung, da das erwirtschaftete Ergebnis im Geschäftsjahr 2021 leichte Verbesserungen zeigte. In der Verwaltungsaufwandsquote wirkt besonders das gestiegene Provisionsergebnis und in der Risikoaufwandsquote sind geringere Nettozuführungen zu den Einzelwertberichtigungen zu verzeichnen.

Beitragsklassifizierung der BVR-ISG
Die Berechnung der Beiträge der BVR-ISG angehörigen CRR-Kreditinstitute erfolgt risikoorientiert auf Basis der Beitragsordnung der BVR-ISG. Der risikogewichtete Beitrag bemisst sich unter Einbeziehung der jährlichen Klassifizierungsergebnisse auf Grundlage eines geordneten Verfahrens. Die Grundzüge der Konzeption sowie Details der Berechnungsmethodik ergeben sich aus den EBA-Leitlinien EBA/2015/10, nach denen Einlagensicherungssysteme und institutsbezogene Sicherungseinrichtungen risikobezogene Beiträge erheben müssen.

Risikosteuerung und -überwachung

Präventionsmanagement
Ziel des Präventionsmanagements ist es, wirtschaftliche Fehlentwicklungen bei den Genossenschaftsbanken frühzeitig zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken, um somit zur präventiven Abwendung von Stützungsmaßnahmen beizutragen. Dafür werden die vorhandenen Daten und weitere Informationen analysiert, um dann mit den als auffällig identifizierten Instituten auf der Basis ergänzender Gespräche mit dem Management der Banken die erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren, die zu einer Stabilisierung und Verbesserung der geschäftlichen Entwicklung führen sollen.

Die Ergebnisse aus dem Klassifizierungsverfahren bilden eine wesentliche Basis für das systematische Präventionsmanagement der BVR-SE. In das Präventionsmanagement werden alle Banken spätestens dann aufgenommen, wenn auf Basis ihres Jahresabschlusses ein Klassifizierungsergebnis von B– oder schlechter ausgewiesen wird. Seit einigen Jahren werden, vertiefend zum Klassifizierungsergebnis, weitere Kennzahlen (zum Beispiel aus dem Meldewesen der Banken oder den von der Aufsicht inzwischen auch bei den nationalen, nicht signifikanten Instituten in regelmäßigem Abstand durchgeführten Stresstests) hinzugezogen, um bei den Instituten Auffälligkeiten in der Früherkennung zu identifizieren. Hierzu zählt im Berichtsjahr 2022 – neben der Mehrjahresplanung, dem regelmäßigen Meldewesen der Banken sowie den Kennzahlen gemäß dem IPS-Sanierungsplan – auch die anlassbezogene gesetzliche Meldepflicht gemäß § 24 Absatz 1 Nummer 4 Kreditwesengesetz (KWG). Aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und die nachfolgenden Verwerfungen und Anspannungen an den Geld- und Kapitalmärkten mussten zahlreiche Banken Abschreibungen auf ihre Wertpapiereigenbestände vornehmen, beziehungsweise haben durch entsprechende Bilanzierung diese Abschreibungen vermeiden können. Im Rahmen ihrer präventiven Monitoring-Aktivitäten war die BVR-SE mit der Analyse dieser Entwicklung intensiv beschäftigt.

Die der Prävention vorgeschaltete Phase des Monitorings von auffälligen Instituten leistet einen wichtigen Beitrag zur frühzeitigen Analyse von Instituten. Der besondere Effekt im Jahr 2022 in diesem Tätigkeitsfeld der BVR-SE wurde bereits vorstehend ausgeführt. Ergänzend, aber mit nachgelagerter Bedeutung wurden im Berichtsjahr 2022 erneut auch solche Institute kontaktiert, bei denen keine Indizien für Risiken vorlagen, die aber aufgrund der hohen Bilanzsumme ein potenziell größeres Risiko darstellen können. Somit hat sich die nachhaltige Tendenz zur Verschiebung der Arbeitsschwerpunkte der BVR-SE weg von der Sanierung hin zum – um das Monitoring erweiterten – systematisch ganzheitlichen Präventionsmanagement eindeutig verstärkt.

Sanierungsmanagement
Die Tätigkeit der BVR-SE bei Sanierungen von Mitgliedsinstituten hat unverändert die Aufstellung eines testierfähigen Jahresabschlusses durch Gewährung von Sanierungsmaßnahmen zum vorrangigen Ziel, um aufsichtliche Maßnahmen gegen Mitgliedsinstitute unnötig zu machen. Im Anschluss wird über die vertragliche Vereinbarung erforderlicher Maßnahmen die Wiedererlangung der Zukunftsfähigkeit der einzelnen Bank – unter Wahrung der Interessen aller Mitglieder der Solidargemeinschaft – sichergestellt. Rechtliche Basis allen Handelns der BVR-SE bildet dabei das Statut der BVR-SE.

Grundlage für die Gewährung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen ist das „Handbuch für zukunftsfähiges Bankmanagement. Leitlinien für die Neuausrichtung und Restrukturierung von Genossenschaftsbanken“. Die in diesem Handbuch dokumentierten Grundsätze bilden für die betroffenen Banken eine Leitlinie für die Wiedererlangung wettbewerbsfähiger Strukturen unter anderem bei der Sanierung und zeigen auf, wie die Wiederherstellung ihrer Grundrentabilität konzeptionell erreicht werden kann. Ziel ist es, diese Sanierungsphase spätestens nach fünf Jahren zu beenden. Daneben wendet sich das Handbuch der BVR-SE explizit auch an Präventionsbanken gemäß Statut der BVR-SE sowie grundsätzlich ebenfalls an alle Institute mit selbst identifiziertem Neuausrichtungsbedarf. Zudem fokussiert ein separater Teil des Handbuchs auch en détail die prozessualen Schritte bei einer Sanierung in Abstimmung mit der Sanierungsbank und dem jeweils gesetzlich zuständigen genossenschaftlichen Prüfungsverband; dieser Teil des Handbuchs ist adressatenspezifisch aufgebaut und wird passgenau beim jeweiligen Fall verwendet.

Trotz wirtschaftlich sehr herausfordernder Rahmenbedingungen hat sich bezüglich Sanierungen durch die BVR-SE auch im Berichtsjahr 2022 keine negative Trendwende ergeben, insbesondere sind keine Belastungen der Mittel der BVR-SE wegen Bewertungseffekten in den Wertpapiereigenbeständen der Institute eingetreten. Nur sehr geringe Belastungen entfielen auf stetig weiter abgebaute Altfälle, bei denen bereits abgeschirmte Risiken eingetreten sind oder für die eine Risikovorsorge im Jahresabschluss der BVR-SE gebildet wurde. Die abzuschirmenden Sanierungsvolumina aus derartigen Altfällen lagen in Summe signifikant unter der erwarteten Höhe; nennenswerte Rückführungen aus Besserungsschein- und sonstigen Freistellungsverpflichtungen sind nur noch in Einzelfällen zu verzeichnen gewesen.

Insgesamt führte die Geschäftsentwicklung erneut dazu, dass die Substanz des dualen genossenschaftlichen Institutssicherungssystems im Jahr 2022 nicht durch Stützungsmaßnahmen belastet wurde und der Bestand an gesetzlichen Garantiefondsmitteln planmäßig weiter erhöht werden konnte.

Ausblick für die BVR-SE und die BVR-ISG

Im Geschäftsjahr 2023 wird die wirtschaftliche Entwicklung des genossenschaftlichen Institutssicherungssystems insbesondere vom weiteren Verlauf des Kriegs in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die deutsche beziehungsweise europäische Volkswirtschaft sowie den weiteren EZB-Zinsentscheidungen beeinflusst werden. Die abgekühlte Baukonjunktur und die angestiegenen Finanzierungskosten für private und gewerbliche Finanzierungen sind zudem eine Herausforderung für die Geschäfts- und Ergebnisentwicklung. Zusammengenommen können auch Risiken und Belastungen, zum Beispiel durch neue Sanierungsfälle, entstehen, die sich jedoch zum Zeitpunkt der Aufstellung des Konsolidierten Jahresabschlusses und des Lageberichts noch nicht materialisiert beziehungsweise konkretisiert haben.

Darüber hinaus wird für die BVR-ISG im Jahr 2023 erneut ein Schwerpunkt die Umsetzung von aufsichtsrechtlichen Anforderungen sein. Der IPS-Sanierungsplan wird dabei im Mittelpunkt stehen, insbesondere die Umsetzung der Anforderungen der MaSanV im Regelbetrieb. Dabei pflegt und entwickelt die BVR-ISG die zentralen Dokumente und Hilfestellungen für ihre Mitgliedsinstitute weiter. Zudem stehen weiterhin Aktivitäten der EBA zur turnusmäßigen, im Jahr 2019 gestarteten Überprüfung der EU-Einlagensicherungsrichtlinie an, die die BVR-ISG in diversen Arbeitsgruppen der EBA-Taskforce unterstützend begleitet. Ein zentraler Baustein ist dabei die überarbeitete Beitragsbemessung, die nach dem 3. Juli 2024, somit nach der Ansparphase für die Einlagensicherung, in Kraft treten wird.

Kapitalmanagement

Aufsichtsrechtliches Kapitalmanagement

Der Konsolidierte Jahresabschluss der genossenschaftlichen FinanzGruppe gibt einen umfassenden Überblick über die wesentlichen Eigenkapitalkennziffern, insbesondere die konsolidierten aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten. Diese Kapitalquoten werden grundsätzlich nach den Vorgaben der CRR im Rahmen der Erweiterten Zusammenfassungsrechnung (EZR) gemäß Artikel 49 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 113 Absatz 7 CRR ermittelt. Die Angaben zu den aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten beziehen sich auf den Meldestichtag 31. Dezember 2022 und beinhalten grundsätzlich nicht die Gewinnthesaurierung des Jahresabschlusses 2022. Die Thesaurierung erfolgt nach der institutsindividuellen Gremienzustimmung und wird 2023 zu einer weiteren Stärkung des Kapitals führen.

Die Kernkapitalquote liegt weitestgehend stabil bei 15,1 Prozent (per 31. Dezember 2021: 15,2 Prozent). Die aufsichtsrechtliche Gesamtkapitalquote der genossenschaftlichen FinanzGruppe zeigt sich mit 15,7 Prozent (per 31. Dezember 2021: 15,8 Prozent) ebenfalls weitestgehend stabil.

Insgesamt haben sich die regulatorischen Eigenmittel um 1,8 Milliarden Euro auf 121,7 Milliarden Euro (per 31. Dezember 2021: 119,9 Milliarden Euro) erhöht. Die Entwicklung ist geprägt durch die Steigerung der Eigenmittel aus der Gewinnthesaurierung aus dem vorangegangenen Jahresabschluss 2021 sowie durch Belastungen aus grundsätzlich temporären, zinsinduzierten Wertminderungen des Wertpapierbestandes und Phase-out-Effekten von Bestandteilen des Ergänzungskapitals. Das Kapital der genossenschaftlichen FinanzGruppe wird im Wesentlichen von den Genossenschaftsbanken und ihren Mitgliedern gehalten.

Der Gesamtrisikobetrag per 31. Dezember 2022 beträgt 775,8 Milliarden Euro (per 31. Dezember 2021: 757,7 Milliarden Euro). Der Anstieg um 2,4 Prozent ist durch das Wachstum des Kundenkreditgeschäfts sowohl im Privat- als auch im Firmenkundensegment geprägt.

Auf Einzelinstitutsebene analysiert die BVR-SE fortlaufend die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelquoten der Mitgliedsbanken. Für die jederzeitige Erfüllung der bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen – inklusive bankindividueller SREP-Zuschläge – sind die Institute selbst verantwortlich. Die Kapitalausstattung der einzelnen Institute in der genossenschaftlichen FinanzGruppe zum Meldestichtag 31. Dezember 2022 zeigt sich im Vergleich zum 31. Dezember 2021 weiterhin solide, wie die Grafik verdeutlicht.

Mit einem bilanziellen Eigenkapital in Höhe von 127,5 Milliarden Euro (per 31. Dezember 2021: 129,5 Milliarden Euro) verfügt die genossenschaftliche FinanzGruppe über eine solide Kapitalausstattung. In den letzten Jahren konnte die Kapitalausstattung kontinuierlich aus eigener Kraft durch Gewinnthesaurierung gestärkt werden. Diese Entwicklung belegt das tragfähige Geschäftsmodell der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit einer breiten Risiko- und Ertragsdiversifizierung.

Auch die für die genossenschaftliche FinanzGruppe per 31. Dezember 2022 ermittelte konsolidierte Leverage Ratio gemäß CRR dokumentiert mit einem Wert von 7,4 Prozent (per 31. Dezember 2021: 8,0 Prozent) weiterhin die solide Kapitalausstattung der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Der Rückgang der Leverage Ratio ist durch das Auslaufen von Sonderregelungen geprägt, welche die Aufsicht den Instituten im Rahmen der Corona-Pandemie gewährt hat. Risikopositionen gegenüber Zentralbanken werden seit dem 31. März 2022 nicht mehr gemäß Artikel 429a (1) (n) CRR bei der Berechnung der Gesamtrisikomessgröße ausgeschlossen. Die Berechnung für die genossenschaftliche FinanzGruppe erfolgt gemäß den Regelungen des Artikels 429 CRR. Hierfür wird das Kernkapital gemäß EZR nach Artikel 49 Absatz 3 CRR zugrunde gelegt. Die Risikopositionswerte werden durch Aggregation der Einzelmeldungen zur Leverage Ratio sämtlicher Mitgliedsinstitute ermittelt und um wesentliche haftungsverbundinterne Positionen bereinigt. Die Gesamtrisikomessgröße für die Verschuldungsquote erhöhte sich im Vorjahresvergleich um 10,6 Prozent auf 1.581,3 Milliarden Euro.

Ökonomisches Kapitalmanagement

Das Risikokapitalmanagement ist eine zentrale Aufgabenstellung der einzelnen Institute vor Ort. Seine Ausgestaltung hat sich – gemäß den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) – an der Komplexität, dem Umfang der Geschäftsaktivitäten und der Bankgröße zu orientieren. Die nationale Bankenaufsicht hat den bisherigen Ansatz über die aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte grundlegend überarbeitet und im Zuge der Harmonisierung an die Konzeption der Europäischen Bankenaufsicht für Significant Institutions (SIs) angepasst. Das Risikotragfähigkeitskonzept umfasst dabei eine normative und eine ökonomische Perspektive, wobei Letztere eine vollständige Risikoabbildung aller wesentlichen Risiken aus einer wertorientierten Perspektive als Basis hat, bei der unwesentliche Risiken, die in Summe als wesentliches Risiko eingestuft werden können, auch in der Risikotragfähigkeit Beachtung finden müssen.

Das Jahr 2022 war geprägt durch eine in kurzer Zeit stark steigende Inflation, die durch den Angebotspreisschock auf den fossilen Energiemärkten angetrieben wurde. Die Zentralbanken beendeten ihre bislang sehr lockere Geldpolitik und hoben in rascher Folge die Leitzinsen deutlich an. All diese Risikofaktoren wirken direkt oder mit Verzögerung indirekt auf verschiedene Risikotreiber. Mögliche Auswirkungen auf das Adressrisiko, das Marktrisiko und das Liquiditätsrisiko waren zu analysieren. Somit galt es, die Effekte auf die verschiedenen Kapitalgrößen und die Profitabilität im Zuge des Kapitalmanagements zu untersuchen.

In vielen Instituten erfolgte dies im Rahmen von Szenarioanalysen. Für die Genossenschaftsbanken wurden hierzu von der parcIT, dem Kompetenzzentrum für solche Themen in der genossenschaftlichen FinanzGruppe, entsprechende aktuelle Parameter für ein adverses Szenario und ein Stressszenario entwickelt und den Banken bereitgestellt. Die Banken sind auch aufsichtsrechtlich verpflichtet, ihre Kapital- und Ergebnissituation im Rahmen ihres internen Prozesses zur Sicherstellung der Risikotragfähigkeit (Internal Capital Adequacy Assessment Process, ICAAP) zu überprüfen. Hierzu werden unter anderem risikoartenübergreifende Stresstests genutzt, die die Auswirkungen auf die wichtigsten Risikoklassen zeigen.

Bankübergreifend lässt sich festhalten, dass sich Kreditrisikokonzentrationen unter anderem durch Diversifikation oder Absicherungen reduzieren lassen. Ebenso können durch Steuerung der Gesamtbankzahlungsströme negative Vermögenseffekte, die sich durch Zinsentwicklung ergeben würden, vermieden oder reduziert werden. Die Erhaltung der Risikotragfähigkeit setzt aus ökonomischer Sicht auf einer effizienten Allokation des Risikokapitals der Bank über die verschiedenen Risikoarten Adressenausfallrisiko, Marktpreisrisiko (unter anderem in der Ausprägung Immobilienpreisrisiko), Liquiditätsrisiko und operationelles Risiko auf, da so eine Vermögensmehrung durch eine positive Performance in den einzelnen Risikoklassen sowie auf Gesamtbankebene erzielt werden kann. Die normative Perspektive soll eine ausreichende aufsichtsrechtliche Kapitalausstattung der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe sicherstellen. Die Genossenschaftsbanken haben anhand eines Leitfadens des BVR entsprechende Hinweise über kapitalstärkende und nachhaltige Maßnahmen erhalten. Dabei kommt der Berücksichtigung von Eigenkapitalkosten bei der Bepreisung des Kreditgeschäfts eine besondere Bedeutung zu.

Verteilung der Gesamtkapitalquote in der genossenschaftlichen FinanzGruppe*

Anteil der Institute in Prozent

2021:

2022:


Gesamtkapitalquote bis ... Prozent

Ratings der genossenschaftlichen FinanzGruppe

Fitch bewertet das Rating der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit AA– und Standard & Poor’s mit A+, jeweils mit stabilem Ausblick. Die Ratingagenturen begründen die aktuellen Ratings mit dem nachhaltig erfolgreichen, auf das Privat- und Firmenkundengeschäft ausgerichteten Geschäftsmodell. Die Kapitalausstattung wird nach Höhe und Qualität als überdurchschnittlich stark bewertet. Die Agenturen würdigen die Fähigkeit der genossenschaftlichen FinanzGruppe, Kapital aus eigener Kraft durch Gewinnthesaurierung zu bilden. Die granulare Kreditstruktur und der große Anteil an Hypothekarkrediten aus dem Retailgeschäft prägen die insgesamt hohe Qualität des Kundenkreditgeschäfts. Das Funding ist über die Refinanzierung durch Kundeneinlagen gesichert. Die Liquidität ist durch einen umfangreichen und diversifizierten Bestand an marktgängigen Wertpapieren in Verbindung mit dem Liquiditätsausgleich innerhalb der genossenschaftlichen FinanzGruppe gewährleistet. Das duale Sicherungssystem wird von den Agenturen als Bindeglied und wesentlicher Teil des Risikomanagements der genossenschaftlichen FinanzGruppe betrachtet.

Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiken sowie operationelle Risiken

Kreditrisiko

Das Kreditrisiko beinhaltet die Gefahr von Verlusten durch den Ausfall oder die Bonitätsverschlechterung von Kreditnehmern, Emittenten, Kontrahenten oder Beteiligungen. Im Geschäftsjahr 2022 betrugen die Kreditrisikoaktiva der genossenschaftlichen FinanzGruppe 707,2 Milliarden Euro (Vorjahr: 689,0 Milliarden Euro). Mit einem Anteil von 91,2 Prozent (Vorjahr: 90,9 Prozent) an den gesamten Risikoaktiva stellt das Kreditrisiko somit die wichtigste Risikokategorie der Genossenschaftsbanken in der normativen Perspektive der Risikotragfähigkeit dar.

Im Kundengeschäft nutzen die Institute zur Einschätzung der Bonität einzelner Kreditnehmer segmentspezifische Ratingverfahren, die einer Validierung nach Marktstandards unterzogen werden. Zugleich werden die Ratingverfahren permanent weiterentwickelt, um die Abdeckung aller relevanten Segmente im Kundenkreditgeschäft sicherzustellen. Zur Messung der Risiken auf Portfolioebene kommen bei dem überwiegenden Teil der Banken – insbesondere bei der Risikotragfähigkeitsbetrachtung – Kreditportfoliomodelle zum Einsatz. Diese werden ebenfalls einer Validierung sowohl auf Gesamtmodellebene als auch auf Parameterebene unterzogen.

Im Mittelpunkt der strategischen Ausrichtung der genossenschaftlichen FinanzGruppe stehen das ertragsorientierte Eingehen von Risiken unter Berücksichtigung des Eigenkapitals sowie eine risikobewusste Kreditpolitik. Bei der Kreditvergabe der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe spielen die Kundenkenntnis und die kundenseitige Tragbarkeit der Verpflichtungen eine zentrale Rolle. Das Kundenkreditgeschäft der genossenschaftlichen FinanzGruppe ist insgesamt durch eine überwiegend granulare Kreditstruktur und einen hohen Anteil an Hypothekenkrediten gekennzeichnet. Die Granularität und die weitgehende regionale Diversifizierung der Geschäftstätigkeit der genossenschaftlichen FinanzGruppe begrenzen Risikokonzentrationen.

Der in der Folge des Krieges in der Ukraine aufgetretene Preisschock unter anderem an den Gasmärkten ließ im Jahr 2022 die berechtigte Sorge um eine deutliche Steigerung von kurz- und mittelfristigen Produktionsausfällen entstehen. Das produzierende Gewerbe sah sich teilweise deutlichen Verteuerungen von Produkten gegenüber, die erhebliche negative Wirkungen auf die Gewinne der Unternehmen zeigen können. In nachgelagerten Branchen wurde ebenfalls ein Gewinnrückgang befürchtet. Im Bereich der privaten Haushalte können erhöhte Energiekosten für Heizung und Warmwasser in Kombination mit einer hohen Inflationsrate zu einer teilweise deutlichen Reduzierung des verfügbaren Einkommens führen. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Ratingeinstufung, denn es ist zukünftig von mehr Ratingmigrationen und Ausfällen auszugehen. Befürchtet werden auch sinkende Immobilienpreise und dadurch geringere Wertansätze für Sicherheiten. Schließlich kann auch die Liquiditätssteuerung betroffen sein, wenn durch zurückgehende Kontosalden das Liquiditätsdeckungspotenzial sinkt.

Für die Genossenschaftsbanken wurden entsprechende Stressszenarien konzipiert, um die Auswirkungen auf die verschiedenen Größen der normativen und ökonomischen Perspektive der Risikotragfähigkeit zu analysieren. In den Szenarien wurde den Banken die ökonomische Betroffenheit aus dem oben beschriebenen Schock dargestellt. Die Banken konnten auf Basis der umfangreich zur Verfügung stehenden Messverfahren eine entsprechende Quantifizierung für das eigene Haus vornehmen. Die unterstellten Ausfallwahrscheinlichkeiten basieren dabei auf historischen Analysen. Zusätzlich wurden Erhöhungen von Bewertungsabschlägen auf dem Immobilienmarkt simuliert. Erfreulicherweise deuten die wirtschaftlichen Entwicklungen auf eine Entspannung hin, sodass sich die oben dargestellten Szenarien zunächst – auch dank massiver staatlicher Interventionen – nicht eingestellt haben. Dennoch wird es notwendig sein, die Entwicklung und die Auswirkungen der Energiepreise weiterhin zu beobachten.

Im Geschäftsjahr 2022 verzeichnete die genossenschaftliche FinanzGruppe weiterhin einen deutlichen Zuwachs im Kreditgeschäft. Die Forderungen an Kunden erhöhten sich gegenüber 2021 um 5,9 Prozent (Vorjahr: 6,0 Prozent). Ein wesentlicher Wachstumstreiber waren erneut die langfristigen Baufinanzierungen. Dank hoher Nachfrage nach Wohneigentum im ersten Halbjahr 2022 ist das Kreditvolumen weiterhin gewachsen. In der zweiten Jahreshälfte ging die Nachfrage nach Immobilienkrediten aufgrund der gestiegenen Kreditzinsen sowie hohen Baukosten zurück, dies konnte jedoch das Kreditwachstum auf Jahressicht nur leicht bremsen.

Nach Angaben des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken sind die Preise für selbst genutztes Wohneigentum 2022 um 9,0 Prozent (Vorjahr: 11,3 Prozent) gestiegen. Der dynamische Preisanstieg hielt jedoch nur bis Jahresmitte an, während es in der zweiten Jahreshälfte zu Preisrückgängen kam. Aufgrund der steigenden Finanzierungskosten und der hohen Inflation scheint der jahrelange Aufschwung auf dem deutschen Wohnungsmarkt 2022 somit beendet.

Um die Mitgliedsinstitute bei der Überwachung der regionalen Märkte zu unterstützen, hat der BVR gemeinsam mit der vdpResearch GmbH ein Marktschwankungskonzept auf Postleitzahlenebene entwickelt: das BVR-Immobilienmarkt-Monitoring, dessen Messungen von Marktschwankungen das Marktschwankungskonzept der Deutschen Kreditwirtschaft auf regionaler Ebene ergänzen. Somit können die Mitgliedsinstitute ihre relevanten Märkte räumlich zutreffend bestimmen und die aufsichtsrechtlichen Anforderungen besser erfüllen.

Das Wachstum im Firmenkundengeschäft bei Kreditgenossenschaften wurde überwiegend durch die Kreditvergabe an das Dienstleistungs- und Baugewerbe getragen. Aufgrund ihrer regionalen Verankerung nehmen die Kreditgenossenschaften auch eine starke Marktposition im Wirtschaftsbereich Erneuerbare Energien ein und begleiten finanziell Unternehmensvorhaben sowohl zur Erhöhung der Energieeffizienz als auch zur Erzeugung von regenerativen Energien. Das Kreditgeschäft des DZ BANK Konzerns war im Geschäftsjahr 2022 insbesondere auf Verbundunternehmen und Immobilien ausgerichtet.

Im Geschäftsjahr 2022 ergab sich ein Risikovorsorgeaufwand von 1,4 Milliarden Euro (Vorjahr: Nettoauflösung von 0,3 Milliarden Euro), der insbesondere auf den erhöhten Zuführungsbedarf bei der parameterbasierten Risikovorsorge aufgrund des eingetrübten konjunkturellen Umfelds zurückzuführen ist. Zum Stichtag 31. Dezember 2022 ist die NPL-Quote (Anteil des notleidenden Kreditvolumens am gesamten Kreditvolumen) der genossenschaftlichen FinanzGruppe erneut leicht auf 1,2 Prozent (Vorjahr: 1,3 Prozent) gesunken. Diese Entwicklung der NPL-Quote ist auf einen Anstieg des gesamten Kreditvolumens bei etwa gleichbleibendem Volumen notleidender Kredite zurückzuführen. In der Zusammenfassung betreiben die Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe ihr Kreditgeschäft in geordneten Verhältnissen.

Marktrisiko

Das Marktrisiko bezeichnet die Gefahr von Verlusten, die aufgrund nachteiliger Veränderungen von Marktpreisen oder preisbeeinflussenden Faktoren auftreten können. Marktrisiken lassen sich im Allgemeinen in die Kategorien Aktien, Zins, Währung und Rohwaren untergliedern. Zum 31. Dezember 2022 betrugen die risikogewichteten Aktiva für Marktrisiken der genossenschaftlichen FinanzGruppe 13,2 Milliarden Euro (Vorjahr: 14,5 Milliarden Euro), was einem Anteil von 1,7 Prozent (Vorjahr: 1,9 Prozent) der gesamten Risikoaktiva entspricht.

Zinsänderungsrisiken haben einen wesentlichen Einfluss auf die Ertragslage der Banken. Das Zinsergebnis der genossenschaftlichen FinanzGruppe erhöhte sich im Jahr 2022 deutlich um 12,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Wie in den Vorjahren wird der größte Teil des Zinsergebnisses durch Konditionsbeiträge im Kundengeschäft, insbesondere im Kundenkreditgeschäft, erzielt.

Das Jahr 2022 war insbesondere geprägt durch die höhere Inflation und die geänderte Notenbankpolitik. Zugleich erhöhte sich die Volatilität auch in den anderen Segmenten der Finanzmärkte. Unter den verschiedenen Arten von Marktpreisrisiken spielen die Zinsänderungsrisiken eine bedeutende Rolle, weil sie nicht nur direkt auf die Wertentwicklungen des Wertpapier-Eigengeschäfts wirken, sondern auch das Kundenkredit- und -einlagengeschäft betreffen.

Mit der Umstellung der Risikotragfähigkeitskonzeption ab 2023 werden die Genossenschaftsbanken, die bisher noch den alten Going-Concern-Ansatz angewendet haben, analog zu den Instituten des DZ BANK Konzerns und zur Münchener Hypothekenbank eG künftig ihre Marktpreisrisiken mit dem Value-at-Risk(VaR)-Modell messen und steuern. Hierzu hat die parcIT ein neues, auf der Methode der historischen Simulation basierendes Verfahren entwickelt. Darüber hinaus sind die Institute auch gehalten, über Planszenarien und adverse Stressszenarien Planungen ihrer Kapitalentwicklung anzufertigen, in die entsprechende Zinsszenarien einfließen.

Liquiditätsrisiko

Im Rahmen des Liquiditätsrisikos wird in der genossenschaftlichen FinanzGruppe insbesondere darauf abgestellt, dass eine Bank ihren Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen kann. Gemäß dem genossenschaftlichen Subsidiaritätsprinzip nimmt jede einzelne Genossenschaftsbank ihre Liquiditäts- und Risikosteuerung selbst vor. Die Einhaltung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) beziehungsweise Net Stable Funding Ratio (NSFR) als aufsichtsrechtlich vorgegebene Kennziffern der ersten Säule ist obligatorisch. Mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten zur betriebswirtschaftlichen Steuerung wird die einzelne Genossenschaftsbank in die Lage versetzt, ihr internes Liquiditätsrisiko bankindividuell zu bestimmen und zu steuern.

Das Jahr 2022 war geprägt durch das Zusammenwirken mehrerer Krisenkomponenten und die damit einhergehenden Marktbewegungen an den Geld- und Kapitalmärkten haben die Liquiditätssteuerung anspruchsvoller werden lassen. So hat die Beobachtung der LCR-Kennziffer auf konsolidierter Basis als Orientierung für die kurzfristige Zahlungsfähigkeit der genossenschaftlichen FinanzGruppe zur Jahresmitte hin temporär einen Rückgang aufgezeigt. Zum Stichtag 31. Dezember 2022 lag der Wert für die LCR im Median aller genossenschaftlichen Institute dann allerdings wieder bei 158,5 Prozent und damit nur leicht unterhalb des Vorjahreswerts von 160,1 Prozent. Jederzeit aber lag der Wert deutlich oberhalb der einzuhaltenden Mindestgrenze von 100 Prozent. Die dezentrale Liquiditätssteuerung der genossenschaftlichen FinanzGruppe hat sich auch in diesem krisenbelasteten Jahr als grundsätzlich widerstandsfähig erwiesen.

Die genossenschaftliche FinanzGruppe zeichnet sich seit Jahren durch eine als verlässlich und krisenresistent anzusehende Liquiditätsstruktur aus. Die Loan to Deposit Ratio der genossenschaftlichen FinanzGruppe liegt bei 96,8 Prozent (Vorjahr: 95,8 Prozent). Grundlage hierfür ist die stabile und eher kleinteilige Geschäftsstruktur der Genossenschaftsbanken, die sich diversifizierend und im Ergebnis risikomindernd auswirkt, sowie vor allem die traditionell geprägte Finanzierung der Institute über Kundeneinlagen. Die Kundschaft honoriert damit die Wirksamkeit der Institutssicherung, die die BVR-SE und die BVR-ISG insbesondere zum Zweck des Einlagenschutzes betreiben.

Der starke Einlagenbestand der Privat- und Firmenkunden prägt die Liquidität der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit einer sehr kleinteiligen und dabei stetig wachsenden Struktur. Die Anlage überschüssiger Liquidität erfolgt über das verbundinterne Marktsystem bei der DZ BANK. Als Zentralinstitut übernimmt diese auch den Ausgleich entstehender Liquiditätsspitzen, indem sie überschüssige Liquidität der einzelnen Genossenschaftsbanken bündelt und Unterschiede der Liquiditätsausstattung einzelner Genossenschaftsbanken ausgleicht. Über die Liquiditätslage der Institute erfolgt ein stetiger Informationsaustausch mit der Zentralbank. Damit hat die DZ BANK einen Überblick über die Gesamtsituation.

Operationelles Risiko

Das operationelle Risiko bezeichnet in Anlehnung an die bankaufsichtsrechtliche Definition das Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden. Zum 31. Dezember 2022 betrugen die Risikoaktiva der genossenschaftlichen FinanzGruppe aus operationellen Risiken 51,9 Milliarden Euro (Vorjahr: 50,9 Milliarden Euro), der Anteil an den gesamten Risikoaktiva lag bei 6,7 Prozent (Vorjahr: 6,7 Prozent).

Die eingerichteten Systeme und internen Verfahren der Genossenschaftsbanken dienen der Reduktion von operationellen Risiken. Hierbei wird den operativen Risiken mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnet. Dazu zählen Arbeitsanweisungen, internes Kontrollsystem (IKS), Funktionstrennungen, die Verwendung von einheitlichen und rechtlich geprüften Vertragsvordrucken sowie der Einsatz von IT-Sicherheits-, Compliance-, Datenschutz- und Geldwäschebeauftragten. Für den Ausfall technischer Einrichtungen und unvorhergesehene Personalausfälle besteht eine Notfallplanung.

Interne Kontrollverfahren gewährleisten, dass wesentliche operationelle Risiken regelmäßig identifiziert, analysiert und beurteilt werden. Anhand von Leitfäden können die Institute ein systematisches Risk Assessment nach Marktstandards durchführen. Schadensfälle werden in einer Datenbank im jeweiligen Institut erfasst. Auf Basis der Ergebnisse der Schadensfallanalysen werden gegebenenfalls interne Abläufe angepasst beziehungsweise präventive Schutzmaßnahmen implementiert.

Die Messung operationeller Risiken erfolgt vor dem Hintergrund des jeweiligen Geschäftsmodells des Instituts. Dominierend ist die Quantifizierung in Form eines Pauschalbetrags teilweise auch durch Value-at-Risk(VaR)-Ansätze.

Chancen und Chancenmanagement

Die Mitgliedschaft der Kunden ist ein typisches Merkmal des Geschäftsmodells der Genossenschaftsbanken, das sich gut für die Vermittlung genossenschaftlicher Werte eignet. Sie bietet den Genossenschaftsbanken und den Produktlieferanten der genossenschaftlichen FinanzGruppe die Chance, sich von den Wettbewerbern anderer Bankengruppen abzugrenzen. Eine Differenzierung zu Direktbanken erfolgt über das breite Filialnetz, das den Instituten der genossenschaftlichen FinanzGruppe unverändert eine große Kundenreichweite ermöglicht. Eine intensive Kundenbindung führt zu betriebswirtschaftlich messbaren Vorteilen wie Ertragssteigerungen der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe und der Sicherung der Marktanteile. Die genossenschaftliche Idee hat aus unserer Sicht auch seit der Corona-Pandemie und durch die stärkere Regionalisierung einen positiven Schub erfahren, welcher neue Chancen bei der Positionierung im Wettbewerb bietet.

Seit der Gründung der Genossenschaftsbanken ist Nachhaltigkeit ein fester Bestandteil ihrer DNA und des unternehmerischen Selbstverständnisses. Wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlich nachhaltiges Handeln sind dabei für die Genossenschaftsbanken untrennbar miteinander verbunden und stets auf das gemeinschaftliche Wirken zur Förderung des Gemeinwohls ausgelegt. Darüber hinaus hat die genossenschaftliche FinanzGruppe in ihrem Nachhaltigkeitsleitbild ein Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen und den globalen Nachhaltigkeitsentwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen abgegeben und hat das Ziel, einen signifikanten Beitrag zur Förderung nachhaltiger Lebensgrundlagen in den Regionen und einer klimafreundlichen Wirtschaft zu leisten.

Das Geschäftsmodell der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe stellt, auch in der digitalen Welt, den Menschen mit seinen Zielen und Wünschen in den Mittelpunkt. Die sich verändernden Wettbewerbsbedingungen durch die Digitalisierung wird die genossenschaftliche FinanzGruppe in den nächsten Jahren mittels verschiedener Maßnahmen und vorwiegend über den zentralen IT-Dienstleister Atruvia für das Privat- und Firmenkundengeschäft, aber auch für die Backoffice-Funktionen der Genossenschaftsbanken (sogenannte Steuerungs- und die Produktionsbank) aktiv angehen. Das Ziel ist hierbei, konsequent die Produkte und Dienstleistungen einer Genossenschaftsbank zu digitalisieren und auf allen von Kunden gewünschten Zugangswegen – Filiale vor Ort, online und hybrid – anzubieten.

Mit der weiteren Umsetzung der Initiativen aus dem Projekt „KundenFokus“ und der Investitionen im Rahmen der „Digitalisierungsoffensive“ und Folgeaktivitäten wird dem veränderten Kundenverhalten Rechnung getragen, das Geschäftsmodell in diesem Sinne angepasst und insgesamt gestärkt. Im Mittelpunkt stehen dabei die umfassende Omnikanalpräsenz und damit die Implementierung effizienter Prozesse auf allen Ebenen. Der persönliche Kontakt bleibt jedoch nach wie vor zentraler Bestandteil der Kundenbeziehung. Hinzu kommen Aspekte wie hochwertige Beratung und die Entscheidungsmöglichkeit für Kunden, wie sie mit ihrer Bank kommunizieren möchten. Die genossenschaftliche FinanzGruppe schafft hierfür zahlreiche Zugangswege und ermöglicht es ihren Mitgliedern, alle Informationen und Services auf allen relevanten Kanälen integriert zu nutzen – seien sie nun stationär oder digital.

Mithilfe der Digitalisierung, die zunehmend das Verhalten der Mitglieder bestimmt, kann auch die Kostenstruktur der Banken mittelfristig verbessert werden. Durch die Vermarktung neuer digitaler Zahlungsverkehrsangebote, die Implementierung eines Online-Anfrageprozesses für alle wesentlichen Produkte sowie der digitalen Mitgliedschaft werden Kundenbedürfnisse berücksichtigt und Neukunden gewonnen. Hierdurch werden auch technikaffine, junge Kunden und Mitglieder angesprochen. Aus Sicht des BVR sind mit der Gründung der neuen spezialisierten Einheiten Truuco, einer Smart Data Gesellschaft, und Amberra, einer Gesellschaft zur Weiterentwicklung der genossenschaftlichen Geschäftsmodelle, die Strukturen dafür geschaffen, bei ihren Empfehlungen an Kunden mittels Smart Data eine hohe Passgenauigkeit zu erreichen und Ökosystem-Angebote über Bankprodukte im engeren Sinne hinaus zu offerieren.

Bedingt durch das aktuelle Zinsniveau sehen wir gute Ertragschancen für die Institute in den nächsten Jahren im Kreditgeschäft. Dies zeigt sich durch den Anstieg der Baufinanzierungszinsen, der sich bereits stabilisierend auf den Zinsüberschuss auswirkt, auch wenn das absolute Neugeschäftsvolumen rückläufig sein wird. Die Einführung neuer Produkte, die den Kunden die Partizipation an der Zinswende und den Kapitalmärkten ermöglichen, kann sich ebenfalls positiv auf die Ertragslage der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe auswirken beziehungsweise sichert Marktanteile im stärker werdenden Wettbewerb. Die tatsächliche Wirkung hängt jedoch von der Materialisierung von Risiken durch diese Zinswende ab, insbesondere der Höhe und des Tempos der Verzinsung von Passivprodukten sowie dem – über Rückwirkungen sowohl auf Kreditnachfrage als auch auf Kreditrisiken – geopolitischen Umfeld im laufenden Jahr.