g) Depotführung

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20 haben die Antragsteller auch zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Erstattung von Depotentgelten herangezogen. Im nachfolgenden Schlichtungsverfahren S 64/22 hat es die Bank nicht vermocht, trotz ausdrücklicher Hinweise der Kundenbeschwerdestelle, Vereinbarungen darzulegen, die die berechneten Depotentgelte rechtfertigen, sodass der Schlichtungsvorschlag überwiegend zugunsten der Antragsteller ausging:


Die beiden Antragsteller unterhalten bei der Antragsgegnerin jeweils ein Wertpapierdepot (Depotnummer XXXX betreffend die Antragstellerin A. S. beziehungsweise Depotnummer XXXX betreffend den Antragsteller V. S.). Mit ihrem Schlichtungsantrag verlangen sie von der Antragsgegnerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20 die Erstattung der ihnen seit 2019 berechneten Depotentgelte, soweit diese das im Jahr 2018 berechnete Entgelt übersteigen. Sie tragen hierzu vor, sie hätten einer Entgeltänderung nicht aktiv zugestimmt. Sie haben ihre Forderung der Höhe nach mit 2.692,75 Euro beziehungsweise mit 566,24 Euro beziffert.

Die Antragsgegnerin hat sich in Bezug auf den Antragsteller V. S. unter anderem wie folgt eingelassen:

„Mit dem Kunden wurde bis Ende 2018 eine Sonderkondition vereinbart. Die betrug, wie vom Antragsteller vorgetragen, EUR 178,50. Ab 2019 wurde die Gebühr auf die vom Beschwerdeführer beanstandete Höhe angepasst. Nach der Erhöhung war dieselbe Gegenstand mehrere Gespräche des Beschwerdeführers mit dessen Berater. Nach unserem Kenntnisstand hat der Beschwerdeführer die neuerlichen Gebühren akzeptiert. Dafür spricht insbesondere auch, dass dieser die quartalsweise erstellten Depotauszüge anerkannt und nicht weiter beanstandet hatte. Insoweit liegt eine wirksame Einigung hinsichtlich der vom Beschwerdeführer beanstandeten Depotgebühren vor. Die Vereinbarung derselben beruht somit nicht auf dem vom BGH verworfenen AGB-Änderungsmechanismus, sondern einer ausdrücklichen Einigung des Beschwerdeführers mit der Beschwerdegegnerin. Folglich ist das Urteil des BGH zum AGB-Änderungsmechanismus vorliegend bereits nicht anwendbar, sodass ein Anspruch auf Rückerstattung nicht gegeben ist.“

In Bezug auf die Antragstellerin A. S. behauptet die Antragsgegnerin eine solche Vereinbarung nicht. Sie lässt sich insoweit wie folgt ein:

„Nach vollständiger Überprüfung eines eventuellen Anspruches von Frau A. S. kommen wir zu folgendem Ergebnis. Unsere Kundin hat in den letzten 3 Jahren folgende Depotgebühren bei uns entrichtet:

  • Jahr 2019 Gesamtdepotkosten 586,82 Euro
  • Jahr 2020 Gesamtdepotkosten 430,93 Euro
  • Jahr 2021 Gesamtdepotkosten 306,51 Euro

Wir haben Ihnen als Nachweis in der Anlage die Informationen zur Verfügung gestellt.

Aus den Unterlagen ist ersichtlich ist, dass eine jährliche Reduzierung der Depotgesamtkosten seit 2019 vorliegt. Daher lehnen wir eine Erstattung ab.“

Die beiden Schlichtungsanträge sind vollumfänglich begründet. Gleichwohl werde ich abschließend einen hiervon abweichenden Vergleichsvorschlag unterbreiten.

1. Um eines sogleich klarzustellen: Der Bundesgerichtshof hat im Frühjahr 2021 nicht geurteilt, „dass Banken und Sparkassen erhobene Gebühren ohne Zustimmung des Bankkunden zurückerstatten müssen“. Der Bundesgerichtshof hat am 27. April 2021 in einem sogenannten Klauselkontrollverfahren Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank für unzulässig erklärt mit der Folge, dass diese Bank – und in der praktischen Konsequenz andere Banken auch – diese Klauseln nicht mehr verwenden und auch nicht mehr anwenden dürfen. Das ist alles! Zu einem Erstattungsanspruch hat sich der Bundesgerichtshof in dieser Entscheidung nicht geäußert. Die Unwirksamkeit der Bestimmungen kann zur Folge haben, dass Banken und Sparkassen Entgelte zu erstatten haben. Hierbei kommt es aber entscheidend auf das Vorliegen weiterer Voraussetzungen, die sich aus § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB ergeben, an.

Diese Vorbemerkung diente, wie erwähnt, lediglich der Vermeidung von Missverständnissen.

2. Die Antragsgegnerin hat in Bezug auf den Antragsteller V. S. nicht hinreichend dargetan, dass mit diesem eine Vereinbarung getroffen worden ist, die den Wegfall beziehungsweise die Abänderung der bis zum Jahr 2018 geltenden und wirksam vereinbarten Entgeltvereinbarung zur Folge hatte.

a) Dies beruht darauf, dass das diesbezügliche Vorbringen der Antragsgegnerin „offensichtlich unsubstantiiert“ ist (vergleiche dazu etwa BGH, Urteil vom 8. Februar 2022 – II ZR 118/21; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15). Die Antragsgegnerin macht schon keinerlei Angaben dazu, wann, wo und bei welcher Gelegenheit der Antragsteller V. S. einer Entgeltänderung zugestimmt haben soll. Auch einen Sachvortrag dazu, durch welche Äußerung beziehungsweise mit welcher Wortwahl diese Zustimmung erklärt worden sein soll, hält die Antragsgegnerin nicht. Das Vorbringen der Antragsgegnerin hierzu ist schlicht nicht greifbar und nicht überprüfbar. In einem gerichtlichen Rechtsstreit wird jedes Gericht davon absehen, zu dieser Frage überhaupt Beweis zu erheben. Nachdem die Antragsgegnerin auch keine schriftliche Unterlage zu der von ihr behaupteten Zustimmung zur Entgeltänderung vorlegen kann, muss ich davon ausgehen, dass eine Zustimmung des Antragstellers zu einer Entgelterhöhung nicht erfolgt ist. Damit bleibt die früher getroffene Entgeltabrede, die der Berechnung der Depotentgelte bis einschließlich 2018 zugrunde lag, in Kraft.

b) Aus dem Umstand, dass der Antragsteller den jeweiligen Rechnungsabschlüssen nicht widersprochen hat, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Zum einen haben Rechnungsabschlüsse keine konstitutive Wirkung. Sie schließen eine Korrektur einer fehlerhaften Buchung nicht aus, sondern führen lediglich zu einer Umkehr der Beweislast. Im Übrigen ergibt sich auch insoweit aus dem Schweigen des Antragstellers nicht, dass er damit in das ihm berechnete Entgelt rechtsgeschäftlich einwilligt. Es sind vielerlei Gründe denkbar, weshalb ein Kunde gegen einen Rechnungsabschluss keine Einwendungen erhebt (Lethargie, Desinteresse, intellektuelle Überforderung, Unbeholfenheit, Krankheit oder tatsächliches Einverständnis; vergleiche hierzu die entsprechende Aufzählung bei BGH, Urteil vom 27. April 2021 – XI ZR 26/20, wobei ich vorliegend den Umstand „intellektuelle Überforderung“ nur der Vollständigkeit halber zitiert habe). Dass beim Antragsteller lediglich der letztgenannte Grund für das Fehlen eines Widerspruchs ursächlich war, ist fernliegend und kann deshalb auch nicht unterstellt werden.

c) Schließlich: Selbstverständlich handelt es sich bei der Entscheidung der Antragsgegnerin, die Depotentgelte anzupassen, um eine geschäftspolitische Entscheidung. Dies ändert aber nichts daran, dass das Ergebnis dieser internen Entscheidung in rechtlich wirksamer Weise mit dem Kunden vereinbart werden muss. Dies ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. April 2021 nicht mehr so einfach zu handhaben wie vor dieser Entscheidung. Ebenso selbstverständlich ist es, dass die erforderliche Zustimmung zu einer Entgeltänderung grundsätzlich auf die von der Antragsgegnerin beschriebene Weise eingeholt werden kann. Dies muss aber, wie dargelegt, detailliert geltend gemacht und vorgetragen werden. Hieran fehlt es.

d) Dies hat zur Folge, dass eine wirksame Abänderung der mit dem Antragsteller V. S. getroffenen Entgeltvereinbarung nicht erfolgt ist. Dies wiederum bedingt, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller die erhöhten Entgelte ohne Rechtsgrund berechnet hat. Dies wiederum begründet den Anspruch des Antragstellers auf Erstattung gemäß § 812 Absatz 1 Satz 1 BGB in der geltend gemachten Höhe. Die vom Antragsteller insoweit durchgeführte Berechnung ist der Höhe nach richtig.

3. Auch in Bezug auf die Antragstellerin A. S. ist das Vorbringen der Antragsgegnerin bei Weitem unzureichend.

Die Antragstellerin A. S. hat angegeben, dass sich die Depotentgelte ab 2019 drastisch erhöht hätten und dass sie einer Erhöhung nicht zugestimmt habe. Die Höhe ihrer Forderung hat sie schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. Es ist nunmehr Sache der Antragsgegnerin, im Einzelnen darzulegen, weshalb ihre jeweilige Entgeltforderung der Höhe nach dennoch berechtigt ist, dass sie also mit Rechtsgrund berechnet worden ist. Einen solchen Sachvortrag lässt das Vorbringen der Antragsgegnerin vermissen. Wie schon in Bezug auf den Antragsteller V. S. macht die Antragsgegnerin auch in Bezug auf die Antragstellerin A. S. keinerlei Angaben dazu, ob, wie und inwieweit sich die Grundlagen für die Entgeltberechnung zum 1. Januar 2019 verändert haben. Sie legt nicht einmal dar, wie sich das Entgelt für die Führung des Depots verändert hat und ob sich eventuell die tatsächlichen Voraussetzungen für die Entgelthöhe verändert haben. Mit dem Hinweis darauf, dass die Entgelte rückläufig seien, lässt sich eine wirksame Entgeltvereinbarung wohl kaum begründen!

Auch dies hat zur Folge, dass die Antragstellerin A. S. das Bestehen ihres Anspruchs, auch der Höhe nach, schlüssig dargelegt und die Antragsgegnerin dies nicht widerlegt hat.

Ich muss und möchte nun versuchen, zu begründen, weshalb ich gleichwohl einen von dieser rechtlichen Situation abweichenden Einigungsvorschlag unterbreite.

Als Ombudsmann habe ich die Rechtslage aufgrund desjenigen Sachstandes zu prüfen, wie er mir vorliegt. Darum habe ich mich vorliegend bemüht. Nachdem die Parteien meinen Vorschlag ohne weitere Begründung ablehnen können, muss ich aber gleichzeitig immer mit einem Auge auch darauf schauen, wie sich der Streit – bei Ablehnung meines Vorschlags - in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren entwickeln kann. An der Feststellung, dass die Antragsgegnerin mich mit der Art und Qualität ihres Sachvortrags im vorliegenden Verfahren gehörig in die Bredouille gebracht hat, führt nun einmal leider kein Weg vorbei. Zumindest einen Sachvortrag dazu, wie sich die Depotentgelte grundsätzlich berechnen, was sich zum 1. Januar 2019 verändert hat sowie dazu, ob sich bei den Berechnungsgrundlagen Änderungen ergeben haben – bei der Antragstellerin A. S. muss dies nahezu zwangsläufig der Fall sein! –, habe ich schon erwartet. Lehnt die Antragsgegnerin den von mir zu erwartenden, den Anträgen vollinhaltlich entsprechenden Schlichtungsvorschlag ab und kommt es sodann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, wird die Antragsgegnerin, dann anwaltlich vertreten, sicherlich detaillierter und eher fallbezogen vortragen. Dies kann durchaus zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen und akkurat dies sind dann die Fälle, bei denen dem Ombudsmann auch noch vorgeworfen wird, er habe falsch entschieden, ohne zu beachten, dass sich der Sachstand gegenüber dem Schlichtungsverfahren eben grundlegend verändert hat.

Diese Erwägungen muss ich bei meinem Versuch, den Parteien einen gerichtlichen Streit zu ersparen, naturgemäß berücksichtigen. Unter Berücksichtigung all dieser Überlegungen, aber natürlich auch weiterhin auf der Grundlage der im vorliegenden Verfahren erfolgten rechtlichen Bewertung unterbreite ich deshalb den Parteien den Vorschlag, sich auf den Abschluss des folgenden Vergleichs zu einigen:

1. Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, ohne Anerkenntnis einer entsprechenden Rechtspflicht und ohne jedes Präjudiz, aber gleichwohl mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen, dem Antragsteller V. S. pauschal 2.000,00 Euro und der Antragstellerin A. S. pauschal 280,00 Euro zu erstatten.

2. Mit Abschluss dieses Vergleichs sind die den Antragstellern zustehenden Erstattungsansprüche wegen unwirksamer Entgeltvereinbarungen für die Depotführung betreffend die Depots mit den Nummern XXXX und XXXX vollständig abgegolten und erledigt.