Zusammengefasster Chancen- und Risikobericht
Grundlagen
Die folgende Beschreibung der Risikogovernance orientiert sich an der Struktur und Funktionsweise des institutsbezogenen Sicherungssystems der genossenschaftlichen FinanzGruppe als dualem genossenschaftlichen Sicherungssystem und bezieht als sekundäres Element das Risikomanagement der einzelnen Institute mit ein. Die Risikogovernance auf Ebene des dualen genossenschaftlichen Sicherungssystems konzentriert sich dabei im Wesentlichen auf die Vermeidung von existenziellen Schieflagen einzelner Institute.
Die Risikoberichterstattung umfasst neben den Instituten des dualen genossenschaftlichen Sicherungssystems auch alle Gesellschaften des handelsrechtlichen Konsolidierungskreises des Konsolidierten Jahresabschlusses.
Risikogovernance in einer dezentralen Organisation
Die Stabilität der gesamten genossenschaftlichen FinanzGruppe und das Vertrauen in die Bonität all ihrer Mitglieder werden maßgeblich durch das duale genossenschaftliche Sicherungssystem bestehend aus der Sicherungseinrichtung des BVR und der BVR Institutssicherung GmbH geprägt.
Institutsbezogenes Sicherungssystem der genossenschaftlichen FinanzGruppe
Sicherungseinrichtung des BVR (BVR-SE)
Die BVR-SE ist das älteste und vollständig ohne staatliche Unterstützung finanzierte Banken-Sicherungssystem in Deutschland und weltweit. Dieses System hat seit seiner Gründung im Jahr 1934 sichergestellt, dass alle einbezogenen Institute ihren finanziellen Verpflichtungen – insbesondere gegenüber Privatkunden mit ihren Einlagen – nachkommen konnten. Die BVR-SE unterliegt der Aufsicht und Überwachung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Nach dem Inkrafttreten des Einlagensicherungsgesetzes (EinSiG) am 3. Juli 2015 und der dadurch erforderlich gewordenen Etablierung eines gesetzlich anerkannten Einlagensicherungssystems wird die BVR-SE als zusätzliches freiwilliges institutssicherndes System gemäß § 2 Absatz 2 und § 61 EinSiG fortgeführt.
Zentrale Aufgaben der BVR-SE sind die Gewährleistung der Stabilität durch die Abwendung drohender oder die Behebung bestehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten bei den angeschlossenen Instituten sowie die Verhütung von Beeinträchtigungen des Vertrauens in die genossenschaftliche FinanzGruppe. Zur Bewältigung von in diesem Zusammenhang notwendigen Stützungsmaßnahmen steht der BVR-SE der Garantiefonds zur Verfügung, der durch die Beiträge der Mitgliedsinstitute gespeist wird. Darüber hinaus stehen die Institute bei Bedarf mit zusätzlichen Mitteln (Garantieverpflichtungen) füreinander ein.
Gemäß den Darstellungen in ihrem Geschäftsbericht war die BVR-SE im Berichtsjahr 2023 in der Lage, ihre satzungsgemäßen Aufgaben, insbesondere den Institutsschutz, zu erfüllen. Am 31. Dezember 2023 gehörten der BVR-SE insgesamt 704 (Vorjahr: 744) Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe an. Der Rückgang ist auf Verschmelzungen innerhalb der genossenschaftlichen FinanzGruppe zurückzuführen.
BVR Institutssicherung GmbH (BVR-ISG)
Die BVR-ISG ist ein amtlich anerkanntes Einlagensicherungssystem und betreibt seit dem 1. Juli 2015 ein aufsichtsrechtlich anerkanntes institutsbezogenes Sicherungssystem im Sinne von Artikel 113 Absatz 7 der Verordnung (EU) 575/2013 für CRR-Kreditinstitute. Durch den Betrieb des institutsbezogenen Sicherungssystems erfüllt die BVR-ISG somit die ihr satzungsgemäß obliegende Aufgabe, drohende oder bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten bei ihren Mitgliedern abzuwenden oder zu beheben (Institutsschutz).
Zu diesem Zweck ergreift die BVR-ISG gegebenenfalls Präventiv- und Sanierungsmaßnahmen. Sofern die BaFin gemäß § 10 EinSiG den Entschädigungsfall eines dem BVR-ISG-Sicherungssystem angehörenden CRR-Kreditinstituts feststellt, entschädigt die BVR-ISG dessen Kunden nach Maßgabe der §§ 5 bis 16 EinSiG. Insofern erfüllt die BVR-ISG den gesetzlichen Einlagenschutz für die Kunden.
Zusammen mit der BVR-SE bildet die BVR-ISG das duale genossenschaftliche Sicherungssystem der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Dem BVR-ISG-Sicherungssystem gehören diejenigen CRR-Kreditinstitute an, die auch dem BVR angehören und der BVR-SE angeschlossen sind. Zum 31. Dezember 2023 waren dies 702 (Vorjahr: 742) CRR-Kreditinstitute.
Die BVR-ISG unterliegt gemäß § 50 Absatz 1 EinSiG der Aufsicht der BaFin sowie der Überwachung durch den Bundesrechnungshof hinsichtlich der Aufgaben bei der Einlegerentschädigung nach den §§ 5 bis 16 EinSiG und hinsichtlich der Finanzierung und Zielausstattung nach den §§ 17 bis 19 EinSiG.
Die Organisation und die Entscheidungsstrukturen der BVR-ISG entsprechen, soweit im Rahmen des EinSiG möglich, der Organisation und den Entscheidungsstrukturen der BVR-SE. Zur Abwicklung des laufenden Geschäftsbetriebs greift die BVR-ISG auf Grundlage eines Dienstleistungsvertrags auf das Personal des BVR zurück, das die entsprechenden Tätigkeiten auch für die BVR-SE wahrnimmt. Hierin enthalten sind unter anderem das Risikomonitoring und die Risikobewertung aller der BVR-ISG angehörenden CRR-Kreditinstitute.
Die Aktivitäten der BVR-ISG im Berichtsjahr 2023 lagen in der Erfüllung der satzungsgemäßen, gesetzlichen und regulatorischen Aufgaben. Die risikoorientierte Beitragserhebung, die den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) entspricht, und die Mittelverwaltung standen dabei ebenso im Mittelpunkt wie umfangreiche operative Stresstests sowie die Betreuung des IPS-Sanierungsplans gemäß der Verordnung zu den Mindestanforderungen an Sanierungspläne für Institute (MaSanV). Im Verlaufe des gesamten Geschäftsjahres hat die BVR-ISG keine Maßnahmen für Einleger oder Mitgliedsinstitute ergreifen sowie auch keine Ausgleichszahlungen gemäß § 145 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) leisten müssen und blickt insofern auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2023 zurück.
Risikoidentifikation und -analyse
Grundstrukturen
Die genossenschaftliche FinanzGruppe ist eine dezentrale Organisation von rechtlich selbstständigen Instituten, die über das duale genossenschaftliche Sicherungssystem basierend auf den Regeln des Statuts der BVR-SE beziehungsweise der Satzung der BVR-ISG miteinander verbunden sind. Dieses dezentrale Element ist auch ein wesentlicher Unterschied zu Bankengruppen mit einer hierarchisch an der Spitze stehenden Obergesellschaft. Somit liegen die unternehmerischen Entscheidungskompetenzen in der Verantwortung jedes einzelnen Instituts und seines unabhängigen Geschäftsleitungs- und Aufsichtsgremiums. Aus dieser dezentralen Struktur leitet sich auch der Schwerpunkt der Analysetätigkeit des dualen genossenschaftlichen Sicherungssystems ab. Der Schwerpunkt liegt insofern primär nicht auf der isolierten Betrachtung einzelner Risikoarten und ihrem Umfang, sondern sehr wesentlich auf der gesamthaften Analyse der wirtschaftlichen Risikoträger, also der einzelnen Institute. Dieses methodische Grundverständnis stellt sicher, dass bei Feststellung einer geordneten Vermögens- und Risikolage und angemessener Ertragsverhältnisse eines jeden einzelnen Instituts somit auch das Gesamtsystem – also die gesamte genossenschaftliche FinanzGruppe – als Einheit wirtschaftlich geordnet ist.
Das duale genossenschaftliche Sicherungssystem verfügt über angemessene Systeme zur Risikoidentifikation und -einstufung sowie zur Risikoüberwachung all ihrer Mitglieder und des institutsbezogenen Sicherungssystems insgesamt. Basis der Risikoeinstufung bildet das seit 2003 eingesetzte Klassifizierungssystem der BVR-SE. Es handelt sich dabei um ein jahresabschlussbasiertes Ratingverfahren mit dem Ziel, einen vollständigen und transparenten Überblick über die Vermögens-, Ertrags- und Risikolage aller Mitglieder zu erlangen. Die Einstufung der Bank nach dem Klassifizierungsverfahren bildet zum einen die Grundlage für die Erhebung risikoadjustierter Garantiefondsbeiträge der BVR-SE und ist zum anderen Ausgangspunkt für das Präventionsmanagement, das aus dem Monitoringprozess und der laufenden Betreuung eines Instituts im Rahmen der Prävention besteht. Ziel des Monitorings ist die frühzeitige Analyse und Bewertung von Auffälligkeiten bei den angehörenden Instituten sowie daraus abgeleitet die Entscheidung über die Aufnahme in die Prävention. In der Prävention erfolgt eine intensive Begleitung des auffälligen Instituts zur Beseitigung der identifizierten Schwachstellen und Stärkung eines nachhaltig tragfähigen Geschäftsmodelles, insbesondere um existenzielle Schieflagen des Instituts zu vermeiden.
Die aus der Klassifizierung gewonnenen Erkenntnisse werden durch weitere Analysen und Daten ergänzt, insbesondere aus der Auswertung der Daten des sogenannten jährlichen Betriebsvergleichs. Dabei handelt es sich um einen Datenpool, den der BVR selbst bei seinen Mitgliedsinstituten erhebt und der im Wesentlichen auf Informationen des Rechnungs- und Meldewesens der Institute basiert. Die Daten des jährlichen Betriebsvergleichs bilden die Grundlage für Analysen zur Feststellung und Untersuchung besonderer Auffälligkeiten anhand von Risikokennzahlen. Darüber hinaus entwickelt die BVR-SE anlassbezogene themen- und risikobezogene Sonderanalysen.
Nach Maßgabe ihrer risikoorientierten Vorgehensweise führt die BVR-SE Einzelbankanalysen durch, die sich auf Institute erstrecken, die für das Sicherungssystem insgesamt von wirtschaftlich wesentlicher Bedeutung sind. Die BVR-SE setzt dabei unter anderem das Konzept der Analyse großer Banken um. Damit trägt sie den Risiken aus der Größenklassenstruktur der angeschlossenen Institute Rechnung.
Für die Risikotragfähigkeit der BVR-SE werden auf Basis verschiedener Stressszenarien mögliche Ausfallwahrscheinlichkeiten ermittelt und durch Monte-Carlo-Simulationen die möglichen Sanierungsvolumina berechnet. Hierfür werden szenariobezogene Klassifizierungen unter verschiedenen Annahmen (zum Beispiel Zinsentwicklung, Verschlechterung der Bonität im Kundenkreditgeschäft) vorgenommen.
Klassifizierungsverfahren der BVR-SE
Mit dem Klassifizierungssystem werden die Institute anhand von acht Kennzahlen zur Vermögens-, Ertrags- und Risikolage einer der neun Bonitätsklassen A++ bis D zugeordnet. Dabei stützt sich das Klassifizierungssystem auf quantitative Kennzahlen, für die im Wesentlichen geprüfte Jahresabschlussdaten der Institute und Daten aus ihren Prüfungsberichten herangezogen werden. Mit diesen Daten wird die BVR-SE durch die – für die jeweiligen Institute zuständigen – regionalen Prüfungsverbände versorgt. 2023 wurden durch die Mitgliederversammlung des BVR Änderungen an Kennzahlen und der Parametrisierung des Klassifizierungsverfahrens beschlossen, die erstmalig im Geschäftsjahr 2024 Anwendung finden.
In das Klassifizierungsverfahren werden grundsätzlich alle der BVR-SE angeschlossenen Institute einbezogen. Hiervon ausgenommen sind nur wenige Institute, insbesondere die, die von einer externen Ratinggesellschaft eigenständig geratet werden, wie die DZ BANK und die Münchener Hypothekenbank eG.
Für die Risikobeurteilung im Jahr 2023 diente unter anderem das Klassifizierungsverfahren auf Grundlage der Jahresabschlussdaten 2022 als Basis und wurde im Jahresverlauf 2023 um weitere aktuelle Informationen sowie Daten aus dem Meldewesen ergänzt. Die Klassifizierungen wiesen im Ergebnis aufgrund der Zinswende eine deutlich schlechtere Verteilung der Klassifizierungsergebnisse im Vergleich zum Vorjahr aus, die sich jedoch bezogen auf das Zinsniveau im Verlauf des Jahres 2023 bereits wieder teilweise umkehrte. Die Klassifizierungsergebnisse sind auf die folgenden Ursachen zurückzuführen: Die Ertragslage zeigt bis zum Bewertungsergebnis eine positive Entwicklung in der Gewinn- und Verlustrechnung, da sich das klassische Bankgeschäft aus Zins- und Provisionsüberschuss positiv entwickelte und auch die Cost-Income-Ratio durch geringeres Wachstum des Verwaltungsaufwands im Vergleich zum Rohergebnis verbessert werden konnte. Dieser positive Effekt wurde im Bewertungsergebnis durch hohe zinsinduzierte Abschreibungen und durch signifikante Zunahme vermiedener Niederstwertabschreibungen von Eigenanlagen deutlich übertroffen. Das daraus resultierende negative Ergebnis vor Steuern und saldierter Reservenauflösung/-zuführung sowie nach Abzug der Niederstwertabschreibungen war die Hauptursache für die schlechtere Gesamtverteilung. Die Vermögenslage zeigt dennoch ein stabiles Bild, da die Geschäftsvolumina nur leicht stärker als die Eigenkapitalbestandteile wuchsen. Auch die Risikolage zeigt ein stabiles Bild, da im Kreditgeschäft die Volumina der Blankoanteile in den kritischeren Kreditengagements leicht rückläufig waren.
Beitragsklassifizierung der BVR-ISG
Die Berechnung der Beiträge der BVR-ISG angehörigen CRR-Kreditinstitute erfolgt risikoorientiert auf Basis der Beitragsordnung der BVR-ISG. Die Grundzüge der Konzeption sowie Details der Berechnungsmethodik ergeben sich aus der EBA-Leitlinie EBA/2015/10, nach der Einlagensicherungssysteme und institutsbezogene Sicherungseinrichtungen risikobezogene Beiträge erheben müssen. Diese Norm wurde 2023 seitens der EBA abschließend überarbeitet und durch die neue Leitlinie EBA/GL/2023/02 ersetzt. Die neuen Anforderungen an das Beitragsrating gelten ab Mitte 2024 und sind von der BVR-ISG zu erfüllen.
Risikosteuerung und -überwachung
Präventionsmanagement
Ziel des Präventionsmanagements ist es, wirtschaftliche Fehlentwicklungen bei den Mitgliedsinstituten frühzeitig zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken, um somit nicht nur zur präventiven Abwendung von Stützungsmaßnahmen beizutragen, sondern auch Impulse für eine verbesserte wirtschaftliche Entwicklung eines Instituts der genossenschaftlichen FinanzGruppe zu geben. Dafür werden die vorhandenen Daten und weitere Informationen analysiert, um dann mit den als auffällig identifizierten Instituten auf der Basis ergänzender Gespräche mit dem Management der Institute die erforderlichen Maßnahmen zu vereinbaren, die zu einer Stabilisierung und Verbesserung der geschäftlichen Entwicklung führen sollen.
Die Ergebnisse aus dem Klassifizierungsverfahren sind die Basis des systematischen Präventionsmanagements der BVR-SE. In das Präventionsmanagement werden Institute spätestens dann aufgenommen, wenn auf Basis ihres Jahresabschlusses ein Klassifizierungsergebnis von B- oder schlechter ausgewiesen wird. Seit vielen Jahren werden jedoch, ergänzend zum Klassifizierungsergebnis, weitere Kennzahlen (zum Beispiel aus dem Meldewesen oder den Controlling-Daten der Institute) und qualitative Informationen hinzugezogen, um bei den Instituten Auffälligkeiten in der Früherkennung zu identifizieren. Hierzu zählt im Berichtsjahr 2023 auch – neben der Mehrjahresplanung, dem regelmäßigen Meldewesen der Institute sowie den Kennzahlen gemäß dem IPS-Sanierungsplan – die anlassbezogene gesetzliche Meldepflicht gemäß § 24 Absatz 1 Nr. 4 Kreditwesengesetz (KWG).
Die der Prävention vorgeschaltete Phase des Monitorings von auffälligen Instituten leistet einen wichtigen Beitrag zur frühzeitigen Identifikation von möglichen Risikolagen von Instituten. In diesem Tätigkeitsfeld der BVR-SE waren 2023 die Entwicklungen auf den Immobilienmärkten von Bedeutung. Dabei ging es weniger um die Rückgänge im Neugeschäft der „klassischen“ Baufinanzierung von Retail-Kunden – dem Kerngeschäft auf der Aktivseite vieler Genossenschaftsbanken –, sondern um den Bereich gewerbliche Finanzierungen, in dem vermehrt eine Zunahme der Risiken zu beobachten war. Hier lagen im Berichtsjahr 2023 viele Schwerpunkte bei der Analyse bereits betreuter Institute, aber auch zahlreiche Erstkontakte waren darauf zurückzuführen.
Wie in den Vorjahren etabliert, wurden erneut auch solche Institute kontaktiert, bei denen keine Indizien für besondere Risiken vorlagen, die aber aufgrund der Höhe der Bilanzsumme ein potenziell größeres Risiko darstellen können. Die Anzahl der Institute in diesem Tätigkeitsfeld steigt insbesondere durch Fusionen weiter an.
Weiterhin liegt der Arbeitsschwerpunkt der BVR-SE nicht in der Sanierung, sondern in einem um das Monitoring erweiterten systematischen und ganzheitlichen Präventionsmanagement.
Sanierungsmanagement
Die Tätigkeit des dualen genossenschaftlichen Sicherungssystems bei Sanierungen von Mitgliedsinstituten hat unverändert die Aufstellung eines Jahresabschlusses unter der Annahme der Unternehmensfortführung durch Gewährung von Sanierungsmaßnahmen zum vorrangigen Ziel, um aufsichtliche Maßnahmen gegen Mitgliedsinstitute zu vermeiden. Im Anschluss wird über die vertragliche Vereinbarung erforderlicher Maßnahmen die Wiedererlangung der Zukunftsfähigkeit der einzelnen Bank – unter Wahrung der Interessen aller Mitglieder der Solidargemeinschaft – sichergestellt. Rechtliche Basis allen Handelns des dualen genossenschaftlichen Sicherungssystems bildet dabei das Statut der BVR-SE beziehungsweise die Satzung der BVR-ISG.
Als Grundlage für die Gewährung und Durchführung von Sanierungsmaßnahmen dient das „Handbuch für zukunftsfähiges Bankmanagement. Leitlinien für die Neuausrichtung und Restrukturierung von Genossenschaftsbanken“. Die in diesem Handbuch dokumentierten Grundsätze bilden für die betroffenen Institute eine Leitlinie für die Wiedererlangung wettbewerbsfähiger Strukturen unter anderem bei der Sanierung und zeigen auf, wie die Wiederherstellung ihrer Grundrentabilität konzeptionell erreicht werden kann. Ziel ist es, diese Sanierungsphase spätestens nach fünf Jahren zu beenden. Daneben wendet sich das Handbuch explizit auch an Präventionsinstitute sowie grundsätzlich ebenfalls an alle Institute mit selbst identifiziertem Neuausrichtungsbedarf. Zudem ist ein separater Teil des Handbuchs auch en détail den Schritten bei einer Sanierung in Abstimmung mit der Sanierungsbank und dem jeweils gesetzlich zuständigen genossenschaftlichen Prüfungsverband gewidmet; dieser Teil des Handbuchs ist adressatenspezifisch aufgebaut und wird passgenau beim jeweiligen Fall verwendet.
Trotz der sehr herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich bezüglich Sanierungen auch im Berichtsjahr 2023 keine negative Trendwende ergeben. Allerdings gab es eine Sanierung mit einem hohen Sanierungsvolumen. Altfälle, die kontinuierlich abgebaut werden und bei denen bereits abgeschirmte Risiken eingetreten sind oder für die eine Risikovorsorge gebildet wurde, führten nur zu sehr geringen Belastungen. Die abzuschirmenden Sanierungsvolumina aus derartigen Altfällen lagen in Summe signifikant unter der erwarteten Höhe; nennenswerte Rückführungen aus Besserungsschein- und sonstigen Freistellungsverpflichtungen sind nur noch in Einzelfällen zu verzeichnen gewesen.
Insgesamt führte die Geschäftsentwicklung dazu, dass die Substanz des dualen genossenschaftlichen Institutssicherungssystems im Jahr 2023 trotz der genannten Stützungsmaßnahme weiter gestärkt wurde.
Ausblick für das duale genossenschaftliche Institutssicherungssystem
Im Geschäftsjahr 2024 wird die wirtschaftliche Entwicklung des genossenschaftlichen Institutssicherungssystems insbesondere von der gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland beeinflusst. Hieraus können auch Risiken und Belastungen für die BVR-SE in Form von neuen Sanierungsfällen entstehen. Die BVR-ISG wird im Jahr 2024 die gesetzliche Zielausstattung erreichen.
Kapital
Aufsichtsrechtliches Kapitalmanagement
Der Konsolidierte Jahresabschluss der genossenschaftlichen FinanzGruppe gibt einen umfassenden Überblick über die wesentlichen Eigenkapitalkennziffern, insbesondere die konsolidierten aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten. Diese Kapitalquoten werden grundsätzlich nach den Vorgaben der CRR im Rahmen der Erweiterten Zusammenfassungsrechnung (EZR) gemäß Artikel 49 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 113 Absatz 7 CRR ermittelt. Die Angaben zu den aufsichtsrechtlichen Kapitalquoten beziehen sich auf den Meldestichtag 31. Dezember 2023 und beinhalten grundsätzlich nicht die Gewinnthesaurierung des Jahresabschlusses 2023. Die Thesaurierung erfolgt nach der institutsindividuellen Gremienzustimmung und wird 2024 zu einer weiteren Stärkung des Kapitals führen.
Die Kernkapitalquote hat sich zum 31. Dezember 2023 auf 15,6 Prozent (31. Dezember 2022: 15,0 Prozent) verbessert. Die aufsichtsrechtliche Gesamtkapitalquote der genossenschaftlichen FinanzGruppe zum 31. Dezember 2023 zeigt sich mit 16,2 Prozent (31. Dezember 2022: 15,6 Prozent) ebenfalls verbessert.
Insgesamt haben sich die regulatorischen Eigenmittel im Geschäftsjahr 2023 um 9,2 Milliarden Euro auf 130,5 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 121,3 Milliarden Euro) erhöht. Die Entwicklung ist geprägt durch die Steigerung der Eigenmittel aus der Gewinnthesaurierung aus dem vorangegangenen Jahresabschluss 2022 und einem bilanziellen Umstellungseffekt aus der Beteiligungsbewertung der R+V Versicherung AG nach Erstanwendung des IFRS 17 auf die Versicherungsverträge im DZ BANK Konzern. Das Kapital der genossenschaftlichen FinanzGruppe wird im Wesentlichen von den Genossenschaftsbanken gehalten.
Der Gesamtrisikobetrag zum 31. Dezember 2023 beträgt 803,1 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 775,9 Milliarden Euro). Der Anstieg um 3,5 Prozent ist durch die bewertungstechnische Erhöhung der at equity bewerteten Beteiligungsposition der DZ BANK an der R+V Versicherung AG aufgrund der Erstanwendung des IFRS 17 sowie durch die Ausweitung der Positionen des Kundenkreditgeschäft sowohl im Privat- als auch im Firmenkundensegment geprägt.
Auf Einzelinstitutsebene analysiert die BVR-SE fortlaufend die aufsichtsrechtlichen Eigenmittelquoten der Mitgliedsinstitute. Für die jederzeitige Erfüllung der bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen – inklusive bankindividueller SREP-Zuschläge – sind die Institute selbst verantwortlich.
Mit einem bilanziellen Eigenkapital zum 31. Dezember 2023 in Höhe von 143,2 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 131,9 Milliarden Euro) verfügt die genossenschaftliche FinanzGruppe über eine solide Kapitalausstattung (vergleiche Abbildung Verteilung der Gesamtkapitalquote in der genossenschaftlichen FinanzGruppe). In den letzten Jahren konnte die Kapitalausstattung kontinuierlich aus eigener Kraft durch Gewinnthesaurierung gestärkt werden. Diese Entwicklung belegt das tragfähige Geschäftsmodell der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit einer breiten Risiko- und Ertragsdiversifizierung.
Auch die für die genossenschaftliche FinanzGruppe zum 31. Dezember 2023 ermittelte konsolidierte Leverage Ratio gemäß CRR dokumentiert mit einem Wert von 8,0 Prozent (31. Dezember 2022: 7,4 Prozent) weiterhin die solide Kapitalausstattung der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Die Erhöhung der Leverage Ratio ist durch den Kernkapitalaufbau von 8,6 Milliarden Euro bei leicht rückläufiger Gesamtrisikopositionsmessgröße geprägt. Die Berechnung für die genossenschaftliche FinanzGruppe erfolgt gemäß den Regelungen des Artikels 429 CRR. Hierfür wird das Kernkapital gemäß EZR nach Artikel 49 Absatz 3 CRR zugrunde gelegt. Die Risikopositionswerte werden durch Aggregation der Einzelmeldungen zur Leverage Ratio sämtlicher Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe ermittelt und um wesentliche haftungsverbundinterne Positionen bereinigt. Die Gesamtrisikomessgröße für die Verschuldungsquote verringerte sich im Vorjahresvergleich um 0,3 Prozent auf 1.569,8 Milliarden Euro, unter anderem wegen der Fälligkeit von Wertpapierfinanzierungsgeschäften mit der Zentralbank und des Rückgangs von Derivatepositionen.
Verteilung der Gesamtkapitalquote in der genossenschaftlichen FinanzGruppe
Anteil der Institute in Prozent
2022: | |
2023: |
Gesamtkapitalquote bis ... Prozent
Normative und ökonomische Risikotragfähigkeit
Durch ein aktives Kapitalmanagement soll die jederzeitige angemessene Kapitalausstattung eines Instituts gewährleistet werden. Die Basis hierfür bilden Risikotragfähigkeitsrechnungen, in denen das vorhandene Risikokapital den eingegangenen Kapitalrisiken gegenübergestellt wird. Die Risikotragfähigkeit muss aus zwei sich ergänzenden Perspektiven betrachtet werden, einer normativen und einer ökonomischen. Im Mittelpunkt der normativen Perspektive steht die ausreichende Ausstattung der Institute mit aufsichtsrechtlichem Kapital. Die ökonomische Perspektive fokussiert auf eine auskömmliche und effiziente Allokation der Risikodeckungsmasse eines Instituts über dessen wesentliche Risikoarten.
Seit dem 1. Januar 2023 haben gemäß der internen Berichterstattung alle Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe die Umstellung auf eine normative und ökonomische Perspektive der Risikotragfähigkeit und deren prozessuale Einbindung in die Gesamtbanksteuerung vollzogen.
Das Kapitalmanagement ist eine zentrale Steuerungsaufgabe für alle Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Die individuelle Gestaltung in den einzelnen Häusern orientiert sich – gemäß den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) – an der Komplexität, dem Umfang der Geschäftsaktivitäten und der Bankgröße. Zentrale Risikoarten der Genossenschaftsbanken sind dabei regelmäßig Adressenausfallrisiko, Marktrisiko (unter anderem in der Ausprägung des Zinsänderungsrisikos), Liquiditätsrisiko und operationelles Risiko.
Die Konjunktur in Deutschland hat sich 2023 schwach entwickelt. Zentrale Ursachen waren erhöhte Unsicherheiten infolge geopolitischer Konflikte, insbesondere in der Ukraine und in Nahost, sowie die nachwirkenden Zinserhöhungen des Vorjahres und die hohe Inflationsrate. Zudem sind pandemiebedingte Stützungsmaßnahmen ausgelaufen. Trotz dieses schwierigen wirtschaftlichen Umfelds lag die Auslastung in der normativen Risikotragfähigkeitsrechnung für die Genossenschaftsbanken zum 31. Dezember 2023 gemäß der internen Berichterstattung im Median bei 75,6 Prozent der Eigenmittel inklusive freier Vorsorgereserven nach § 340f HGB. In der ökonomischen Risikotragfähigkeitsrechnung betrug der Median zum 31. Dezember 2023 57,6 Prozent des barwertigen Vermögens.
Die Genossenschaftsbanken wurden bei der Durchführung und Weiterentwicklung ihrer prozessualen und rechnerischen Methoden zur Risikotragfähigkeit von der parcIT GmbH, dem Kompetenzzentrum für Steuerungsverfahren in der genossenschaftlichen FinanzGruppe, unterstützt. Ein Schwerpunkt im Jahr 2023 lag in der weiteren Optimierung der Prozesse zur Risikoinventur und zur Dokumentation im Rahmen des Risikoberichts. Weitergehend wurden zur Analyse von Auswirkungen der Zinsentwicklungen von der parcIT GmbH aktuelle Szenarioparameter zur Verfügung gestellt. Für das an Bedeutung gewinnende Immobilienrisiko wurden Angemessenheitsnachweise von der parcIT GmbH bereitgestellt und Stressparameter entwickelt. Sukzessive wurde zudem das Instrumentarium zur Steuerung von ESG-Risiken weiter aufgebaut wie zum Beispiel Messmethoden für diese Risiken.
Ratings der genossenschaftlichen FinanzGruppe
Fitch bewertet das Rating der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit AA- und Standard & Poor’s mit A+, jeweils mit stabilem Ausblick. Die Ratingagenturen begründen die aktuellen Ratings mit dem nachhaltig erfolgreichen, auf das Privat- und Firmenkundengeschäft ausgerichteten Geschäftsmodell. Die Kapitalausstattung wird nach Höhe und Qualität als überdurchschnittlich stark bewertet. Die Agenturen würdigen die Fähigkeit der genossenschaftlichen FinanzGruppe, Kapital aus eigener Kraft durch Gewinnthesaurierung zu bilden. Die granulare Kreditstruktur und der große Anteil an Hypothekarkrediten aus dem Retailgeschäft prägen die insgesamt hohe Qualität des Kundenkreditgeschäfts. Die Refinanzierung ist auch nach der Zinswende mittels Kundeneinlagen weiterhin stabil. Das duale genossenschaftliche Sicherungssystem wird von den Agenturen als Bindeglied und wesentlicher Bestandteil der Risikogovernance der genossenschaftlichen FinanzGruppe betrachtet.
Kredit-, Markt- und Liquiditätsrisiko sowie operationelles Risiko
Kreditrisiko
Das Kreditrisiko beinhaltet die Gefahr von Verlusten durch den Ausfall oder die Bonitätsverschlechterung von Kreditnehmern, Emittenten, Kontrahenten oder Beteiligungen. Im Geschäftsjahr 2023 betrugen die Kreditrisikoaktiva der genossenschaftlichen FinanzGruppe 738,0 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 707,3 Milliarden Euro). Mit einem Anteil von 91,9 Prozent (31. Dezember 2022: 91,2 Prozent) an den gesamten Risikoaktiva stellt das Kreditrisiko somit die bedeutendste Risikokategorie der Genossenschaftsbanken in der normativen Perspektive der Risikotragfähigkeit dar.
Im Kundengeschäft nutzen die Institute zur Bonitätsbeurteilung einzelner Kreditnehmer segmentspezifische Ratingverfahren. Die Messung der Risiken erfolgt bei dem überwiegenden Teil der Institute in Form eines Value-at-Risk (VaR), der auf Basis eines Kreditportfoliomodells ermittelt wird. Die Verfahren werden einer jährlichen Validierung sowohl auf Parameter- als auch auf Gesamtmodellebene unterzogen.
Zur Beurteilung der Bonitäten bei Eigenanlagen wird neben segmentspezifischen Ratingverfahren teilweise auch auf Einschätzungen externer Ratingagenturen zurückgegriffen. Auch bei den Eigenanlagen erfolgt die Messung der Risiken in der Regel anhand eines VaR, der auf der Grundlage eines kontinuierlich validierten Portfoliomodells berechnet wird. Ergänzend zu den Kreditportfoliomodellen kommen sowohl im Kundenkreditgeschäft als auch bei den Eigenanlagen regelmäßig Szenario- und Stressbetrachtungen zum Einsatz.
Die Versorgung der regionalen Privat- und Firmenkundschaft mit Krediten ist ein zentraler Baustein der strategischen Ausrichtung der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Damit verbunden sind das ertragsorientierte Eingehen von Risiken unter Berücksichtigung des Eigenkapitals sowie eine risikobewusste Kreditpolitik. Bei der Kreditvergabe spielen für die Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe die Kundenkenntnis und die kundenseitige Tragbarkeit der Verpflichtungen eine zentrale Rolle. Das Kundenkreditgeschäft der genossenschaftlichen FinanzGruppe ist insgesamt durch eine überwiegend granulare Kreditstruktur und einen hohen Anteil an realbesicherten Krediten gekennzeichnet. Die Granularität und die weitgehende regionale Diversifizierung der Geschäftstätigkeit der genossenschaftlichen FinanzGruppe in Deutschland begrenzen Risikokonzentrationen.
Im Geschäftsjahr 2023 konnte die genossenschaftliche FinanzGruppe ein leichtes Wachstum im Kreditgeschäft verzeichnen. Die hohen Wachstumsraten der Vorjahre wurden jedoch nicht erreicht. Die Forderungen an Kunden erhöhten sich gegenüber 2022 um 2,4 Prozent (31. Dezember 2022: 5,9 Prozent). Treiber des Kreditwachstums blieben weiterhin die langfristigen Baufinanzierungen. Allerdings führten die Zinserhöhungen infolge der Inflationsbekämpfung durch die EZB und daraus folgende höhere Kreditzinssätze sowie hohe Baukosten zu einer rückläufigen Nachfrage nach Immobilienkrediten. Vor diesem Hintergrund hat der deutsche Wohnimmobilienmarkt nach einem langjährigen Aufschwung eine Preiswende erfahren. Seit Mitte 2022 befindet sich der Wohnimmobilienmarkt in einem Anpassungsprozess, der mehrere Jahre dauern kann. Nach Angaben des Verbands deutscher Pfandbriefbanken sanken die Preise für selbstgenutztes Wohneigentum im Jahr 2023 um -4,1 Prozent, nachdem sie im Vorjahr noch um 9,0 Prozent gestiegen waren. Auf dem Gewerbeimmobilienmarkt war der Preisrückgang mit -10,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr ebenfalls deutlich (31. Dezember 2022: -0,4 Prozent).
Im Firmenkundengeschäft der Kreditgenossenschaften wurde das Wachstum überwiegend durch die Kreditvergabe an das Dienstleistungs- und Baugewerbe getragen. Aufgrund ihrer regionalen Verankerung unterstützen die Kreditgenossenschaften regelmäßig auch Projekte im Wirtschaftsbereich Erneuerbare Energien und begleiten finanziell Unternehmensvorhaben sowohl zur Erhöhung der Energieeffizienz als auch zur Erzeugung von regenerativen Energien. Das Kreditgeschäft des DZ BANK Konzerns war im Geschäftsjahr 2023 insbesondere auf Verbundunternehmen und Immobilien ausgerichtet.
Das Risiko von Kreditausfällen war 2023 höher als im Vorjahr, jedoch im langfristigen Vergleich weiterhin auf moderatem Niveau. Im Privatkundengeschäft der Institute lagen die Ursachen in erster Linie bei gestiegenen Energiekosten und hoher Inflation, die in der Folge zu einem Rückgang der verfügbaren Einkommen führten. Gründe im Firmenkundengeschäft waren unter anderem die Kriege in der Ukraine und in Nahost, anhaltende Lieferengpässe, die Verteuerung von Vorprodukten, steigende Finanzierungskosten und eine schwächelnde Konjunktur in China. Unternehmen in den Branchen Bauwirtschaft, produzierendes Gewerbe, Chemie- und Pharmaindustrie, Energieversorger sowie Handel waren besonders betroffen. Im gesamten Firmenkundensegment ist die Zahl der Ausfälle 2023 um knapp 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.
Im Mittelpunkt der methodischen Weiterentwicklungen stand 2023 der Ausbau der segmentspezifischen Ratingverfahren sowie der Kreditportfoliomodelle, um die Abdeckung aller relevanten Segmente im Kreditgeschäft sicherzustellen. Zudem wurde von der parcIT GmbH die Entwicklung von Stressszenarien auf Basis historischer Analysen weiter vorangetrieben.
Im Geschäftsjahr 2023 ergab sich ein Risikovorsorgeaufwand von 1,8 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 1,5 Milliarden Euro), der insbesondere auf den erhöhten Zuführungsbedarf bei der Risikovorsorge aufgrund des eingetrübten konjunkturellen Umfelds sowie der Zunahme der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenzen im Laufe des Geschäftsjahres zurückzuführen ist. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 ist die NPL-Quote (Anteil des notleidenden Kreditvolumens am gesamten Kreditvolumen) der genossenschaftlichen FinanzGruppe gemäß der internen Berichterstattung leicht auf 1,5 Prozent (31. Dezember 2022: 1,2 Prozent) gestiegen. Diese Entwicklung der NPL-Quote ist auf einen Anstieg des Volumens notleidender Kredite zurückzuführen. Dennoch bleibt die NPL-Quote auf einem niedrigen Niveau. In der Zusammenfassung betreiben die Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe ihr Kreditgeschäft in geordneten Verhältnissen.
Marktrisiko
Das Marktrisiko bezeichnet die Gefahr von Verlusten, die aufgrund nachteiliger Veränderungen von Marktpreisen oder preisbeeinflussenden Faktoren auftreten können. Marktrisiken lassen sich im Allgemeinen in die Kategorien Aktien, Zins, Währung und Rohwaren untergliedern. Zum 31. Dezember 2023 betrugen die risikogewichteten Aktiva für Marktrisiken der genossenschaftlichen FinanzGruppe 10,3 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 13,2 Milliarden Euro), was einem Anteil von 1,3 Prozent (31. Dezember 2022: 1,7 Prozent) der gesamten Risikoaktiva entspricht.
Die Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe messen und steuern ihre Marktrisiken in erster Linie anhand von Value-at-Risk Modellen. Darüber hinaus nutzen die Institute unterschiedliche Szenariobetrachtungen (Plan-, Adverse- und Stressszenarien), um unter anderem ihre Kapitalplanungen zu erstellen und Transparenz über die Auswirkungen von Marktentwicklungen zu erlangen.
Das Eingehen von Marktrisiken hat einen deutlichen Einfluss auf die Ertragslage der Institute, insbesondere das Eingehen von Zinsrisiken. Wie in den Vorjahren wird der größte Teil des Zinsergebnisses durch Konditionsbeiträge im Kundengeschäft erzielt.
Nach den deutlichen Zinsanstiegen 2022 haben sich die Zinsen an den Finanzmärkten im Verlauf des Jahres 2023 tendenziell seitwärts entwickelt, die Volatilität blieb aber hoch. Das Zinsergebnis der genossenschaftlichen FinanzGruppe erhöhte sich 2023 stark um 17,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Mit dem barwertigen Marktrisikomodell, basierend auf der Methode der historischen Simulation, steht den Genossenschaftsbanken ein geeignetes Verfahren zur ökonomischen Marktrisikosteuerung zur Verfügung. Dieses wird von der parcIT GmbH fortlaufend weiterentwickelt. Um die Anwendung in den Instituten zu unterstützen, wurde ein Leitfaden zur Überprüfung der Angemessenheit der Parameter der Marktdatenszenarien in der barwertigen Risikomessung entwickelt, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.
Liquiditätsrisiko
Im Rahmen des Liquiditätsrisikos wird in der genossenschaftlichen FinanzGruppe insbesondere darauf abgestellt, dass eine Bank ihren Zahlungsverpflichtungen jederzeit nachkommen kann. Gemäß dem genossenschaftlichen Subsidiaritätsprinzip nimmt jede einzelne Genossenschaftsbank ihre Liquiditäts- und Risikosteuerung selbst vor. Die Einhaltung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) beziehungsweise der Net Stable Funding Ratio (NSFR) als aufsichtsrechtlich vorgegebene Kennziffern bildet einen Schwerpunkt der Liquiditätsbetrachtung der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe. Darüber hinaus werden Instrumente zur betriebswirtschaftlichen Steuerung eingesetzt, unter anderem zur Bestimmung des Liquiditätsablaufs und des Liquiditätspreisrisikos. Ergänzend werden Stresstests durchgeführt.
Die genossenschaftliche FinanzGruppe zeichnet sich seit Jahren durch eine als verlässlich und krisenresistent anzusehende Liquiditätsstruktur aus. Die Loan to Deposit Ratio der genossenschaftlichen FinanzGruppe liegt bei 99,1 Prozent (Vorjahr: 96,8 Prozent). Grundlage hierfür sind die stabile und eher kleinteilige Geschäftsstruktur der Genossenschaftsbanken, die sich diversifizierend und im Ergebnis risikomindernd auswirkt, sowie vor allem die traditionell geprägte Finanzierung der Institute über Kundeneinlagen. Die Kunden der genossenschaftlichen FinanzGruppe honorieren damit auch die Wirksamkeit der Institutssicherung, welche die BVR-SE und die BVR-ISG insbesondere zum Zweck des Einlagenschutzes betreiben und mit der sie über den gesetzlich geforderten Einlagenschutz hinausgehen.
Der starke Einlagenbestand der Privat- und Firmenkunden prägt die Liquidität der genossenschaftlichen FinanzGruppe mit einer sehr kleinteiligen Struktur. Die Anlage überschüssiger Liquidität erfolgt über das verbundinterne Marktsystem bei der DZ BANK. Als Zentralinstitut übernimmt diese auch den Ausgleich entstehender Liquiditätsspitzen, indem sie die überschüssige Liquidität der einzelnen Genossenschaftsbanken bündelt und Unterschiede der Liquiditätsausstattung einzelner Genossenschaftsbanken ausgleicht. Über die Liquiditätslage der Institute erfolgt seitens der BVR-SE ein stetiger Informationsaustausch mit der DZ BANK.
Die zinspolitische Wende der EZB stellte 2023 insbesondere im ersten Halbjahr eine Herausforderung für die Liquiditätssteuerung dar. Die monatlichen LCR-Kennziffern zeigten ab Jahresbeginn zunächst leicht rückläufige Werte. Ab Mitte des Jahres 2023 stiegen die LCR-Kennziffern dann aber deutlich. Der LCR-Wert der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe zum Stichtag 31. Dezember 2023 lag im Median mit 185,9 Prozent deutlich über dem Vorjahreswert von 158,5 Prozent. Die Mindestgrenze von 100 Prozent wurde dabei jederzeit eingehalten.
Daneben erfolgte auch eine Beobachtung der NSFR-Kennziffern als Messzahlen für die längerfristige Zahlungsfähigkeit der Häuser. Der Median aller Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe wies dabei eine recht geringe Schwankungsbreite auf. Zum Stichtag 31. Dezember 2023 lag er mit 120,5 Prozent auf einem längerfristig beobachtbaren weitgehend konstanten Niveau (31. Dezember 2022: 120,0 Prozent). Die Liquiditätsstrukturen der genossenschaftlichen FinanzGruppe haben sich auch in einem Jahr stark steigender Leitzinsen widerstandsfähig gezeigt.
Operationelles Risiko
Das operationelle Risiko bezeichnet in Anlehnung an die bankaufsichtsrechtliche Definition das Risiko von Verlusten, die durch die Unangemessenheit oder das Versagen von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder durch externe Ereignisse verursacht werden. Zum 31. Dezember 2023 betrugen die Risikoaktiva der genossenschaftlichen FinanzGruppe aus operationellen Risiken 52,1 Milliarden Euro (31. Dezember 2022: 51,9 Milliarden Euro), der Anteil an den gesamten Risikoaktiva lag bei 6,5 Prozent (31. Dezember 2022: 6,7 Prozent).
Das Interne Kontrollsystem (IKS) der Genossenschaftsbanken dient der Reduktion von operationellen Risiken. Es besteht aus dem internen Steuerungssystem und dem internen Überwachungssystem, das sich in prozessintegrierte und prozessübergreifende Überwachungsmaßnahmen aufgliedert. Zu den unterschiedlichen Maßnahmen zählen unter anderem Arbeitsanweisungen, Funktionstrennungen, die Verwendung von einheitlichen und rechtlich geprüften Vertragsvordrucken sowie der Einsatz von IT-Sicherheits-, Compliance-, Datenschutz- und Geldwäschebeauftragten. Für den Ausfall technischer Einrichtungen und unvorhergesehene Personalausfälle besteht eine Notfallplanung.
Interne Kontrollverfahren gewährleisten, dass wesentliche operationelle Risiken regelmäßig identifiziert, analysiert und beurteilt werden. Anhand von Leitfäden können die Institute ein systematisches Risk Assessment nach Marktstandards durchführen. Schadensfälle werden in einer Datenbank im jeweiligen Institut erfasst. Auf Basis der Ergebnisse der Schadensfallanalysen werden gegebenenfalls interne Abläufe angepasst beziehungsweise präventive Schutzmaßnahmen implementiert.
Die Messung operationeller Risiken erfolgt vor dem Hintergrund des jeweiligen Geschäftsmodells des Instituts. Dominierend ist die Quantifizierung in Form eines Pauschalbetrags, teilweise auch durch Value-at-Risk-Ansätze.
Chancen und Chancenmanagement
Die Mitgliedschaft der Kunden ist ein typisches Merkmal des Geschäftsmodells der Genossenschaftsbanken, das sich gut für die Vermittlung genossenschaftlicher Werte eignet. Sie bietet den Genossenschaftsbanken und den Produktlieferanten der genossenschaftlichen FinanzGruppe die Chance, sich von den Wettbewerbern anderer Bankengruppen zu differenzieren. Das breite Filialnetz ermöglicht den Instituten der genossenschaftlichen FinanzGruppe unverändert gegenüber den Direktbanken eine große Kundenreichweite. Die enge Kundenbindung führt zu betriebswirtschaftlich messbaren Vorteilen wie Ertragssteigerungen der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe und der Sicherung der Marktanteile. Die genossenschaftliche Idee hat aus unserer Sicht auch durch die Corona-Pandemie und die geopolitischen Spannungen mit der daraufhin zum Teil folgenden Regionalisierung einen positiven Schub erfahren, was neue Chancen bei der Positionierung im Wettbewerb bietet.
Nachhaltigkeit ist ein fester Bestandteil der DNA des genossenschaftlichen Selbstverständnisses. Wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlich nachhaltiges Handeln sind dabei für die Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe untrennbar miteinander verbunden und stets auf das gemeinschaftliche Wirken zur Förderung des Gemeinwohls ausgelegt. Darüber hinaus hat die genossenschaftliche FinanzGruppe in ihrem Nachhaltigkeitsleitbild ein Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen und den globalen Nachhaltigkeitsentwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen abgegeben und hat das Ziel, einen signifikanten Beitrag zur Förderung nachhaltiger Lebensgrundlagen in den Regionen und einer klimafreundlichen Wirtschaft zu leisten.
Das Geschäftsmodell der Institute der genossenschaftlichen FinanzGruppe stellt, auch in der digitalen Welt, den Menschen mit seinen Zielen und Wünschen in den Mittelpunkt. Das Ziel ist hierbei, konsequent die Produkte und Dienstleistungen einer Genossenschaftsbank zu digitalisieren und auf allen von Kunden gewünschten Zugangswegen – Filiale vor Ort, online und hybrid – anzubieten.
Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung sowie dem Ausbau der Omnikanal-verfügbaren Services und Produkte auf der neuen Vertriebsplattform wird dem veränderten Kundenverhalten Rechnung getragen, das Geschäftsmodell in diesem Sinne angepasst und insgesamt gestärkt. Im Mittelpunkt stehen dabei die umfassende Omnikanalpräsenz und damit die Implementierung effizienter Prozesse auf allen Ebenen. Der persönliche Kontakt bleibt jedoch nach wie vor zentraler Bestandteil der Kundenbeziehung. Hinzu kommen Aspekte wie hochwertige Beratung und die Entscheidungsmöglichkeit für Kunden, wie sie mit ihrer Bank kommunizieren möchten. Die genossenschaftliche FinanzGruppe schafft hierfür zahlreiche Zugangswege und ermöglicht es ihren Mitgliedern, alle Informationen und Services auf allen relevanten Kanälen integriert zu nutzen – seien sie nun stationär oder digital.
Durch die Vermarktung neuer digitaler Zahlungsverkehrsangebote, die Implementierung eines Online-Anfrageprozesses für alle wesentlichen Produkte sowie die digitale Mitgliedschaft werden Kundenbedürfnisse berücksichtigt und sollen Neukunden gewonnen werden. Hierdurch werden auch technikaffine, junge Kunden und Mitglieder angesprochen. Aus Sicht des BVR wurden mit Gründung der Smart Data Gesellschaft Truuco Strukturen dafür geschaffen, bei den Empfehlungen an Kunden mittels Smart Data eine hohe Passgenauigkeit zu erreichen. Darüber hinaus sollten mit der neuen strategischen Beteiligungs- und Company-Building-Einheit Amberra, die in relevante Startups investiert und neue Geschäftsmodelle entwickelt, Ökosystem-Angebote über Bankprodukte im engeren Sinne hinaus offeriert werden.
Bedingt durch das jetzige Zinsniveau sehen wir weiterhin gute Ertragschancen für die Institute im Kreditgeschäft. Dies zeigt sich durch den Anstieg der Baufinanzierungszinsen, der sich positiv auf den Zinsüberschuss auswirkt, auch wenn das absolute Neugeschäftsvolumen sich auf niedrigem Niveau stabilisiert. Die tatsächliche Wirkung hängt jedoch von der Materialisierung von Risiken durch diese Zinswende ab, insbesondere der Höhe und dem Tempo der Verzinsung von Passivprodukten sowie dem – über Rückwirkungen sowohl auf Kreditnachfrage als auch auf Kreditrisiken – geopolitischen Umfeld im laufenden Jahr.