Prognosebericht

Gesamt- und Kreditwirtschaft

Das konjunkturelle Umfeld der deutschen Wirtschaft hat sich im Frühjahr 2023 aufgehellt. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird durch das Abflauen der Lieferengpässe und die wieder etwas günstigeren Energiepreise befördert. Vor diesem Hintergrund haben die an der Gemeinschaftsdiagnose teilnehmenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihren Prognosewert zur Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland für 2023 merklich angehoben. Während die Konjunkturforscher noch im Herbst 2022 mit einem BIP-Rückgang gegenüber dem Vorjahr um 0,4 Prozent gerechnet hatten, prognostizieren sie in ihrem aktuellen Frühjahrsgutachten einen leichten Anstieg um 0,3 Prozent.

Ein wichtiger Grund für die Aufwärtskorrektur des Prognosewerts ist, dass der im Herbst für das Winterhalbjahr 2022/2023 erwartete konjunkturelle Rückschlag glimpflicher ausfiel. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamtes ist das preis-, kalender- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal um 0,5 Prozent gesunken und dann im ersten Quartal 2023 nochmals um 0,3 Prozent. In den kommenden Quartalen wird das Verarbeitende Gewerbe nach Einschätzung der Wirtschaftsforschungsinstitute zur Konjunkturstütze werden, da es unmittelbar vom Nachlassen der angebotsseitigen Störungen profitieren werde. Die Baukonjunktur werde hingegen schwach bleiben, unter anderem wegen der gestiegenen Finanzierungskosten.

In Hinblick auf die Inflation rechnen die Wirtschaftsforschungsinstitute damit, dass sich die Verbraucherpreise 2023 mit 6,0 Prozent nur wenig schwächer verteuern werden als im Jahr 2022 (6,9 Prozent). Erst für 2024 wird im Zuge sinkender Energiepreise ein merklicher Rückgang der Inflationsrate auf 2,4 Prozent prognostiziert. Bezüglich der Arbeitsmarktentwicklung gehen die Wirtschaftsforschungsinstitute davon aus, dass sich der Beschäftigungsaufbau fortsetzen wird. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte im Jahresdurchschnitt 2023 um 330.000 auf 45,9 Millionen Menschen steigen. Für die Arbeitslosenquote wird eine geringfügige Zunahme um 0,1 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent prognostiziert.

Die geldpolitische Straffung westlicher Notenbanken hat sich Anfang 2023 vor dem Hintergrund weiterhin hoher Inflationsraten fortgesetzt. Die EZB erhöhte ihre Leitzinsen bis 10. Mai 2023 in drei Schritten um weitere 125 Basispunkte. Der Zins der Einlagefazilität liegt damit bei 3,25 Prozent, nach 2,0 Prozent zum Jahresende 2022. Der Hauptrefinanzierungszins stieg von 2,5 auf 3,75 Prozent. In den USA erhöhte die Federal Reserve Bank ihren Leitzins 2023 ebenfalls in drei Schritten um weitere 75 Basispunkte auf einen Korridor von 5,00 bis 5,25 Prozent. Beide Notenbanken signalisieren, den größeren Teil ihrer Zinsstraffung bereits vollzogen zu haben und im Jahr 2023 einen Endpunkt derselben erreichen zu wollen. Auf diesem sollen die Zinsen dann vorerst verbleiben. Da die Federal Reserve Bank vor der EZB begann, ihre Leitzinsen anzuheben, dürfte sie auch vor dieser den Endpunkt des Zinsniveaus erreichen.

Viele für die Gesamtwirtschaft prognostizierten Effekte wirken auch auf den Ausblick der Kreditwirtschaft. Im Geschäftsjahr 2023 wirken insbesondere die Veränderungen im Zinsumfeld auf die erwarteten Ergebnisse. So ist das Zinsniveau im Jahr 2023 zwar weiter gestiegen, das Wachstum hat sich aber merklich verlangsamt. Wir erwarten, dass es in geringem Tempo weiter steigen wird, insbesondere da die Inflationsrate, deren Reduzierung wesentliches Ziel dieser Zinserhöhungen ist, sich noch nicht auf dem gewünschten Niveau befindet. In der im Geschäftsjahr 2023 vorherrschenden Zinslandschaft sehen wir bessere Ertragschancen für den Wirtschaftszweig als im Vorjahr. Dies zeigt sich unter anderem durch den bereits erfolgten Anstieg der Zinskonditionen im Kreditgeschäft, der sich stabilisierend auf den Zinsüberschuss auswirken wird. Diese Erwartung gilt auch, obgleich sich das Neugeschäftsvolumen tendenziell seitwärts bis leicht rückläufig entwickeln dürfte. Denn mit steigenden Zinsen erhöhen sich auch die Hürden für Kaufinteressenten mit geplanter Immobilienfinanzierung. Auch geringeres Realeinkommen aufgrund dauerhaft hoher Inflation wirkt sich negativ auf die Immobiliennachfrage aus und erhöht somit den Wettbewerb um die verbleibenden Kunden. Die Margensteigerung sollte diesen Effekt allerdings überkompensieren. Auf der Passivseite sehen wir den belastenden Effekt. Hier werden die steigenden Zinsen dazu führen, dass Kunden ihr Vermögen wieder längerfristig zu den nun höheren Marktzinsen festlegen möchten. Insbesondere nach der sehr langen Phase nahezu zinsfreien Sparens wird der Zinsaufwand hier merklich steigen. Im Zinsergebnis gehen wir von einem positiven Gesamteffekt aus, da das erwartete Wachstum des Zinsertrags das des Zinsaufwands übersteigen sollte. Hier wirken insbesondere die tendenziell trägere Passivseite und die bankseitig mit höheren Konditionen zu prolongierenden auslaufenden Zinsvereinbarungen gegen das langsamere Abflachen der Immobilienfinanzierungen. Mit größeren negativen Bewertungseffekten auf die Eigenanlagen der Kreditinstitute wird nicht gerechnet. Ein negatives Szenario analog zum Geschäftsjahr 2022 wird nahezu ausgeschlossen. Steigende Risikokosten im Kreditgeschäft werden nur in geringem Ausmaß erwartet, da die festgelegten Kreditkonditionen zum allergrößten Teil noch sehr geringe Konditionen aufweisen und die Kapitaldienstfähigkeit von dieser Seite kaum belasten. Die in Deutschland vorherrschende Langfristkultur der Zinsbindung zeigt hier ihre die Finanzstabilität stützende Wirkung. Ein weiteres Risiko könnte an dieser Stelle aus der Entwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Firmenkunden ausgehen. Wir gehen hier von vergleichsweise leichten Ausschlägen im Kreditrisiko aus, die beherrschbar sein sollten. Ungewohnt hohe Belastungen erwarten wir weiterhin aus den geopolitischen Ereignissen auf die Kosten der Lebenshaltung. Auch wenn die Zunahme der Preise (Inflation) sich abflacht, ist das Niveau doch ein viel höheres als noch vor einem Jahr. Ein wesentlich größerer Teil der Haushaltseinkommen muss beispielsweise auf Energie und Lebensmittel verwendet werden. Haushalte mit kleineren Puffern in der Kapitaldienstfähigkeit können hier an Grenzen stoßen und so ein enges Monitoring seitens der Institute erfordern. Eine Milderung der Effekte dieses Szenarios in den privaten Haushalten könnte aus ausgleichenden Tarifabschlüssen resultieren, die sich in manchen Branchen abzeichnen. Auf der anderen Seite könnte dies wiederum die Unternehmen belasten, die dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten und sich gezwungen sehen, die Preise zu erhöhen.

Genossenschaftliche FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken

Die genossenschaftliche FinanzGruppe ist nach dem herausfordernden Jahr 2022 operativ positiv in das Jahr 2023 gestartet. Die beschriebenen Risiken des gesamtwirtschaftlichen Umfelds als auch der Konditionenwettbewerb auf der Passivseite werden die weitere Ergebnisentwicklung im Jahresverlauf entscheidend beeinflussen. Der Zinsüberschuss wird sich im Geschäftsjahr 2023 aus heutiger Sicht insgesamt positiv entwickeln und erhöhen. Wir rechnen mit einem steigenden Zinsertrag durch die Veränderung der Verzinsung der Aktivseite, die jedoch natürlich auch von der weiteren Neugeschäftsentwicklung abhängt. Deutlich werden die Zinsaufwendungen im Jahresverlauf durch die Konditionenanpassung bei Passivprodukten steigen. Der Provisionsüberschuss wird im Geschäftsjahr 2023 das hohe Niveau des Geschäftsjahres 2022 halten und damit weiterhin maßgeblich zum Ergebnis beitragen. Eine wesentliche Quelle werden dabei auch im Jahr 2023 die Provisionen aus dem Zahlungsverkehr bleiben. Das Ergebnis aus Finanzanlagen wird sich im Geschäftsjahr 2023 stark erholen und insgesamt positiv ausfallen: Das Vorjahr war geprägt durch zinsinduzierte Bewertungsanpassungen; diese Effekte werden im Jahr 2023 bei gleichbleibendem Zinsniveau bereits teilweise aufgeholt. Weiterhin rechnen wir nicht mit wesentlichen bonitätsbezogenen Risiken aus den Finanzanlagen. Die Aufwendungen für die Risikovorsorge werden im Geschäftsjahr 2023 kräftig steigen und dem sich erwartungsgemäß verschlechternden makroökonomischen Umfeld Rechnung tragen. Dabei werden die hohe Inflation sowie die Nachwirkung der Energiepreiskrise zum Anstieg der Ausfälle beitragen.

Das Ergebnis aus dem Versicherungsgeschäft dürfte im Geschäftsjahr 2023 stark steigend ausfallen. Diese Prognose stützt sich, bezogen auf das Segment „Versicherung“, außer auf einem erwarteten ansprechenden operativen Versicherungsgeschäft im Wesentlichen auf die prognostizierte normalisierte Entwicklung des Ergebnisses aus Kapitalanlagen und daneben zu einem kleineren Teil auf die erwarteten Effekte aus der Umstellung auf die neuen Rechnungslegungsstandards für Versicherungen.

Im Geschäftsjahr 2023 dürften die Verwaltungsaufwendungen gegenüber dem Geschäftsjahr 2022 aufgrund der Lohnsteigerungen sowie allgemeiner Inflation spürbar steigen.

Nach dem durch Bewertungseffekte geprägten schwächeren Geschäftsjahr 2022 gehen wir im laufenden Geschäftsjahr 2023 von einem deutlichen Anstieg des Ergebnisses vor Steuern der genossenschaftlichen FinanzGruppe aus.

Die regulatorischen Kapitalquoten werden sich trotz der geringeren Thesaurierung des Geschäftsjahres 2022 im laufenden Geschäftsjahr gleichbleibend entwickeln. Hier wirkt das im laufenden Jahr erwartete geringere Neugeschäftswachstum dämpfend auf die erwarteten risikogewichteten Aktiva am Ende des Geschäftsjahrs 2023.