a) Kreditgeschäft

Ein hoher Anteil der eingereichten Anträge auf Streitbeilegung betraf im Berichtszeitraum 2020 das Kreditgeschäft.

Viele Kunden stellten einen Streitbeilegungsantrag, weil die Bank sich geweigert hatte, einen Dispositionskredit einzuräumen, oder weil das Dispositionslimit gekürzt oder gelöscht wurde oder weil die Bank eine Überziehung des Limits nicht geduldet hat. Bei all diesen Fragen handelt es sich um geschäftspolitische Entscheidungen der Bank, in die im Streitbeilegungsverfahren nicht eingegriffen werden kann. Einen materiellen Anspruch auf Einräumung eines Kredits gibt es im deutschen Recht grundsätzlich nicht. Sofern die Antragsteller konkrete Forderungen erhoben haben, waren die Anträge zwar zulässig, aber im Hinblick auf die Privatautonomie unbegründet.

Bei Immobiliarkrediten gab es – wie in den Vorjahren – wieder eine Reihe von Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit einer beabsichtigten vorzeitigen Rückzahlung von Darlehen standen. Lassen Kunden ein bei ihrer Bank aufgenommenes Darlehen von einem anderen Kreditinstitut ablösen, gibt es häufig Streit um die Kosten der Abwicklung, also den Aufwand etwa für die Vorbereitung und Abwicklung eines Treuhandauftrags und die Abtretung der das Darlehen sichernden Grundschuld an die ablösende Bank. Hierzu hat der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 10. September 2019 im Verfahren XI ZR 7/19 festgestellt, dass die Bank aufgrund des Sicherungsvertrags verpflichtet ist, die Sicherheit nach Beendigung des Sicherungsinteresses zurückzugewähren. Umgekehrt steht dem Darlehensnehmer und Sicherungsgeber aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsmittels zu, wenn der Darlehensgeber die Sicherheiten nicht mehr benötigt. Bis zur Entscheidung des BGH in der Kreditwirtschaft übliche (und von den Streitschlichtern im Grundsatz gebilligte) Entgeltvereinbarungen über die Durchführung eines Treuhandauftrags sind seither unwirksam, sofern sie in Form von allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden.

Dies gilt nicht nur bei einer vorzeitigen Ablösung eines Darlehens, sondern auch bei vollständiger Rückführung des Darlehens durch den Darlehensnehmer, wie der Schlichtungsvorschlag C 2/20 aufzeigt:


„Zwischen den Parteien bestand ein dinglich gesicherter Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag vom 28. Dezember 2018. Der Antragsteller hat das finanzierte Objekt veräußert und das Darlehen vorzeitig zurückgeführt. Im Zusammenhang mit der Erteilung einer Löschungsbewilligung hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein Bearbeitungsentgelt für den Treuhandauftrag in Höhe von 250,00 Euro in Rechnung gestellt; mit diesem Betrag hat sie das Konto des Antragstellers belastet. Dies hält der Antragsteller im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 10. September 2019 im Verfahren XI ZR 7/19 für unzulässig. Er verlangt mit seinem Schlichtungsantrag die Erstattung dieses Entgelts. Demgegenüber meint die Antragsgegnerin, die Entscheidung des BGH sei nicht einschlägig. Das Urteil beziehe sich nur auf Ablösungen im Zuge von Umschuldungen, nicht aber bei Verkäufen.

Der Schlichtungsantrag ist begründet. Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin nach § 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Fall BGB die Erstattung des ihm berechneten Treuhandentgelts von 250,00 Euro verlangen. Das Preis- und Leistungsverzeichnis der Antragsgegnerin sieht in Ziffer 6.1.2 für die Erteilung von Treuhandaufträgen beim Objektverkauf sowie für die Abwicklung von Treuhandaufträgen bei Ablösung durch Dritte ein Treuhandentgelt in Höhe von 250,00 Euro vor.

Diese Entgeltklausel ist unwirksam. Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank enthaltene Bestimmung, wonach der Darlehensnehmer für einen Treuhandauftrag im Zusammenhang mit der Ablösung eines Darlehens ein Entgelt schuldet, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam gemäß § 307 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 1 BGB.

Dies gilt zum einen für den Fall, dass Kunden der Bank bei dieser bestehende Darlehen zurückführen und gestellte Sicherheiten unter Erteilung von Treuhandauflagen auf ein Fremdinstitut übertragen lassen möchten. Hat der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber eine Grundschuld zur Sicherung von dessen Ansprüchen bestellt, so steht ihm als Sicherungsgeber aus der Sicherungsabrede ein Anspruch auf Rückgewähr des Sicherungsmittels zu, wenn der Darlehensgeber – wie hier infolge der vollständigen Rückführung des Darlehens – die Sicherheiten nicht mehr benötigt. Wird im Zusammenhang mit einer derartigen Ablösung eines Darlehens zur Übertragung der Sicherheit tatsächlich ein Treuhandauftrag erteilt, ist dieser in der Regel lediglich Bestandteil der Erfüllung der Rückgewährpflicht des Darlehensgebers und Sicherungsnehmers und dient allein dessen Sicherungsinteressen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ablösung des Darlehens im Rahmen einer bloßen Umschuldung oder im Zusammenhang mit dem Verkauf des Sicherungsobjekts erfolgt. Auch bei Erteilung von Treuhandaufträgen im Falle des Verkaufs des Sicherungsobjekts wird die Bank – unbeschadet der Frage, ob und inwieweit in einem solchen Fall ein Treuhandauftrag überhaupt erforderlich ist – allein im Rahmen einer sie treffenden Verpflichtung tätig. Die Bank wird deshalb insoweit im Eigeninteresse tätig und nicht im Interesse des Darlehensnehmers.

Dies gilt aber auch für den Fall, dass die Bank als neue Darlehensgeberin im Rahmen der Ablösung eines bei einem anderen Kreditinstitut bestehenden Darlehensvertrags tätig wird. Mit der hierfür nötigen Bestellung, Verwaltung und Verwertung von Sicherheiten verfolgt die Beklagte ebenfalls allein eigene Vermögensinteressen. Für diese im Eigeninteresse vorgenommenen Maßnahmen steht der Bank kein Anspruch auf ein Entgelt zu. Der hiermit verbundene Aufwand ist vielmehr regelmäßig mit dem gemäß § 488 Absatz 1 Satz 2 BGB zu zahlenden Zins abzugelten (BGH, Urteil vom 10. September 2019 – XI ZR 7/19). Die Unwirksamkeit der Preisklausel in Ziffer 6.1.2 des Preis- und Leistungsverzeichnisses hat zur Folge, dass der Bank keine Rechtsgrundlage für die Berechnung des Entgelts zusteht. Die Berechnung dieses Entgelts sowie die Verbuchung dieses Betrags auf dem Konto des Antragstellers sind somit ohne Rechtsgrund erfolgt. Dies begründet den Anspruch des Antragstellers gemäß § 812 Absatz 1 Satz 1, 1. Fall BGB.

Die Antragsgegnerin ist somit verpflichtet, „das Erlangte“ herauszugeben. Der Betrag von 250,00 Euro ist deshalb dem Antragsteller zu erstatten oder – soweit noch vorhanden – seinem Konto mit der damaligen Wertstellung wieder gutzuschreiben. Dies schlage ich zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor.“


Im Berichtszeitraum haben etliche Antragsteller versucht, ihr Recht auf Widerruf der eigenen Vertragserklärung zu einem Darlehensvertrag durchzusetzen. Sind seit der Widerrufserklärung mehrere Jahre verstrichen, stellt sich die Frage, ob ein etwaiger Anspruch auf Rückabwicklung des Darlehens verwirkt ist. Verweigert die Bank eine Rückabwicklung des Darlehensvertrags und leistet der Darlehensnehmer auch nach Erklärung des Widerrufs Zins- und Tilgungsleistungen, so kann aus diesem vertragstreuen Verhalten nicht auf die Verwirkung des Rechts auf Rückabwicklung geschlossen werden, wie der Schlichtungsvorschlag H 104/19 aufzeigt:


„Zwischen den Parteien bestand ein Darlehensvertrag vom 6. April 2008, bei dem der Antragsteller Mitdarlehensnehmer war. Mit Schriftsatz seines anwaltlichen Vertreters vom 12. Juni 2016 hat der Antragsteller seine auf den Abschluss dieses Vertrags gerichtete Vertragserklärung widerrufen. Er ist der Ansicht, die dem Vertrag beigefügte Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft und habe den Lauf der Widerrufsfrist nicht bewirkt.

Er verlangt nun mit seinem Schlichtungsantrag die Rückabwicklung des Darlehensvertrags.

Dem tritt die Antragsgegnerin entgegen. Sie verweist darauf, dass das Darlehen zwischenzeitlich vonseiten des Antragstellers vollständig zurückgeführt worden ist und sie macht Rechtsmissbrauch geltend. Dies begründet sie damit, dass der Antragsteller nach Erklärung des Widerrufs die monatlichen Zahlungen auf das Darlehen weiterhin vorbehaltlos bis zum 28. Februar 2018 erbracht habe. Zudem habe er am 28. Januar 2017 eine im Vertrag vorgesehene Sondertilgung in Höhe von 5.000,00 Euro geleistet. Mit dieser Sonderzahlung habe der Antragsteller die Bestätigung der vertraglichen Rechte signalisiert.

Der Schlichtungsantrag ist begründet.

1. Der vom Antragsteller erklärte Widerruf seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Vertragserklärung ist wirksam. Die von der Antragsgegnerin verwendete Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft. Sie war deshalb nicht geeignet, den Lauf der Widerrufsfrist zu bewirken. Dies ergibt sich aus der Entscheidung des BGH vom Oktober 2009 im Verfahren XI ZR 33/08. Die von der Antragsgegnerin verwendete Widerrufsbelehrung genügt den Anforderungen des § 355 BGB in der damals geltenden Fassung vom 29. Juli 2009 nicht. Sie belehrt den Verbraucher über den nach § 355 Absatz 2 BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist nicht richtig, weil sie das unrichtige Verständnis nahelegt, die Widerrufsfrist beginne bereits einen Tag nach Zugang des mit der Widerrufsbelehrung versehenen Darlehensangebots der Antragsgegnerin zu laufen. Durch die Formulierung der dem von der Antragsgegnerin verwendeten Vertragsangebot beigefügten Belehrung, die Widerrufsfrist beginne „einen Tag“ nach Mitteilung „dieser“ Belehrung und Zurverfügungstellung einer Vertragsurkunde, entsteht aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Kunden, auf den abzustellen ist (vergleiche BGH vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, Wertpapier-Mitteilungen (WM) 2009, 350, 351, Textziffer 16; BGH, Urteil vom 18. April 2005 – II ZR 224/04, WM 2005, 1166, 1168), der Eindruck, diese Voraussetzungen seien bereits mit der Übermittlung des die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsantrags der Antragsgegnerin erfüllt und die Widerrufsfrist beginne ohne Rücksicht auf eine Vertragserklärung des Verbrauchers bereits am Tag nach Zugang des Angebots der Beschwerdegegnerin zu laufen.

Diese Rechtsauffassung hat der BGH in der Entscheidung vom 14. März 2017 im Verfahren XI ZR 442/16 bestätigt. Dieser Entscheidung lag eine Widerrufsbelehrung zugrunde auf einem Formular des DG VERLAGES mit dem Datum 9. Juni, der Vorgängerversion des hier verwendeten Formulars.

Die Fehlerhaftigkeit der Widerrufsbelehrung hat zur Folge, dass der Lauf der Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden ist. Damit konnte der Widerruf der Vertragserklärung noch am 12. Juni 2016 erklärt werden. Das Widerrufsrecht war bei seiner Ausübung auch noch nicht nach Artikel 229 § 38 Absatz 3 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) erloschen.

2. Das Recht zum Widerruf war bei seiner Ausübung nicht verwirkt.

Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (ständige Rechtsprechung, vergleiche etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2015 – V ZR 178/14; ebenso Urteil vom 20. November 2015 – V ZR 284/14 – und Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15). Verwirkung setzt mithin ein sogenanntes Zeitmoment und ein Umstandsmoment voraus. Das Zeitmoment ist vorliegend erfüllt, nachdem hier zwischen Vertragsschluss – darauf kommt es an – und Widerrufserklärung mehr als sieben Jahre – dies ist im Regelfall der Zeitraum, ab dem Verwirkung in Betracht kommt – liegen. Es fehlt jedoch am Umstandsmoment. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Urteil vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16). Solche Umstände ergeben sich nicht bereits daraus, dass der Antragsteller über Jahre hinweg Zins- und Tilgungsleistungen erbracht hat. Er hat damit nichts anderes getan als sich vertragstreu zu verhalten und Pflichtverletzungen zu vermeiden. Allein aufgrund eines laufend vertragstreuen Verhaltens des Verbrauchers kann der Unternehmer ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, der Verbraucher werde seine auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht widerrufen, nicht bilden (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15, Randnummer 39, zitiert nach juris).

3. Die Ausübung der Widerrufsmöglichkeit durch den Antragsteller war auch nicht rechtsmissbräuchlich.

a) Aus der Entscheidung des Gesetzgebers, den Widerruf von jedem Begründungserfordernis freizuhalten, folgt zugleich, dass ein Verstoß gegen § 242 BGB nicht daraus hergeleitet werden kann, der vom Gesetzgeber mit der Einräumung des Widerrufsrechts intendierte Schutzzweck sei für die Ausübung des Widerrufsrechts nicht leitend gewesen. Überlässt das Gesetz – wie das Fehlen einer Begründungspflicht zeigt – dem freien Willen des Verbrauchers, ob und aus welchen Gründen er seine Vertragserklärung widerruft, kann aus dem Schutzzweck der das Widerrufsrecht gewährenden gesetzlichen Regelung grundsätzlich nicht auf eine Einschränkung des Widerrufsrechts nach § 242 BGB geschlossen werden (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15).

b) Eine Rechtsmissbräuchlichkeit des erklärten Widerrufs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Antragsteller nach Erklärung des Widerrufs seine Zins- und Tilgungsleistungen weiterhin vorbehaltlos erbracht und zudem eine Sondertilgung geleistet hat.

Die Ausübung eines Verbraucherwiderrufsrechts kann im Einzelfall eine unzulässige Rechtsausübung aus sonstigen Gründen darstellen und in Widerspruch zu § 242 BGB stehen, auch wenn die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht vorliegen. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018 – XI ZR 69/18, Randnummer 18, juris).

Nach der – zeitlich vorhergehenden – Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 13. März 2018 im Verfahren 6 U 62/17 kann eine vorbehaltlose Weiterzahlung mehrerer der vertraglich vereinbarten Darlehensraten nach Widerruf dazu führen, dass der Geltendmachung der Rechte aus dem Widerruf § 242 BGB entgegensteht. Diese demnach nach der Rechtsprechung des BGH gebotene umfassende Bewertung aller Fallumstände ergibt, dass vorliegend die nach Erklärung des Widerrufs erfolgten Vorgänge – zu deren Maßgeblichkeit siehe BGH, am angegebenen Ort – den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nicht zu begründen vermögen. Gestützt wird der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs vonseiten der

Antragsgegnerin darauf, dass der Antragsteller weiterhin vorbehaltlos Zahlungen auf das Darlehen geleistet – wohlgemerkt: durch Einzug mittels einer zuvor erteilten Einzugsermächtigung! – und insbesondere eine Sondertilgung erbracht hat. Dies stellt jedoch nichts anderes dar als die Erbringung der nach dem Vertrag geschuldeten beziehungsweise möglichen Leistungen. Deshalb gilt auch insoweit die Feststellung des BGH, dass der Antragsteller nichts anderes getan hat, als sich vertragstreu zu verhalten. Ein Vertragspartner, der am Vertrag nicht festhalten will, aus der gebotenen Vorsicht heraus sich aber dennoch vertragstreu verhält, handelt nicht rechtsmissbräuchlich, und zwar auch dann nicht, wenn er nicht ausdrücklich erklärt, unter Vorbehalt leisten zu wollen. Dem Antragsteller blieb zur Vermeidung eventueller sofortiger Nachteile gar nichts anderes übrig, als die Einziehungen durch die Antragsgegnerin zuzulassen. Für das Verhalten des Antragstellers und den hieraus zu begründenden Vorwurf des Rechtsmissbrauchs darf schließlich auch nicht außer Betracht bleiben, inwiefern der Antragsteller zu diesem seinen Verhalten durch die Reaktion der Antragsgegnerin auf den von ihm erklärten Widerruf veranlasst worden ist. Diese hat es vorgezogen, auf den Widerruf überhaupt nicht zu reagieren. Dies wiegt deshalb schwer, weil die Rechtslage zur Zeit der Erklärung des Widerrufs klar und eindeutig war: Seit der Entscheidung des BGH vom 10. März 2009 bestand für einen mit der rechtlichen Problematik Befassten nicht der geringste Zweifel daran, dass die von der Antragsgegnerin verwendete Widerrufsbelehrung nicht geeignet war, den Lauf der Widerrufsfrist zu bewirken. Dies dem Antragsteller gegenüber zu bestätigen, hat die Antragsgegnerin unterlassen, um nunmehr aufgrund des nachfolgenden Verhaltens des Antragstellers diesem gegenüber den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu erheben. Mit einer einfachen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Erklärung hätte die Antragsgegnerin für Klarheit sorgen können. Die Antragsgegnerin jedoch war es, die – und ich gehe davon aus, in Kenntnis der Wirksamkeit des vom Antragsteller erklärten Widerrufs – weiterhin von der ihr erteilten Einzugsermächtigung Gebrauch gemacht hat, obwohl ihr die monatlichen Zahlungen nicht mehr zustanden. In dieser Situation dem Antragsteller vorzuwerfen, dieser habe die nach dem Vertrag vorgesehene Sondertilgung erbracht, um eventuell Zinsen sparen zu können, halte ich schon für ziemlich frivol. Angesichts dessen möchte ich offenlassen, welcher Seite gegenüber der Vorwurf des Rechtsmissbrauchs schwerer wiegt.

Der Argumentation der Antragsgegnerin wird deshalb, unbeschadet der Entscheidung des OLG Stuttgart vom 13. März 2018 im Verfahren 6 U 62/17, meiner Einschätzung nach kein Gericht folgen.

Zur gütlichen Beilegung des Streits schlage ich deshalb vor, dass die Antragsgegnerin den Widerruf anerkennt und sich auf die Rückabwicklung des Darlehens einlässt. Zur konkreten Durchführung der Abwicklung des widerrufenen Darlehensverhältnisses schlage ich der Bank vor, dem Antragsteller eine Abrechnung zu erteilen, die sich an der Rechtsprechung des BGH orientiert. Der Bankrechtssenat des BGH geht für vor dem 13. Juni 2014 – Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung in § 357 a BGB – geschlossene Verbraucherverträge (vergleiche dazu auch Artikel 229 § 32 EGBGB; sogenannte Altfälle) von den folgenden, seiner Ansicht nach geklärten Rechtfolgen aus (vergleiche dazu BGH, Beschluss vom 22. September 2015 – XI ZR 116/15; Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2015, 3441 mit Anmerkungen; Klein, Seite 3442; dazu Grüneberg, WM 2017, 1,10; Beschluss vom 12. Januar 2016 – XI ZR 366/15, WM 2016, 454, 456; Beschluss vom 12. Juli 2016 – XI ZR 564/15, WM 2016, 1930): Der Darlehensnehmer schuldet dem Darlehensgeber gemäß § 346 Absatz 1 BGB Herausgabe der gesamten Darlehensvaluta ohne Rücksicht auf seine (Teil-)Tilgung und gemäß § 346 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und Satz 2 BGB Herausgabe von Wertersatz für Gebrauchsvorteile am jeweils tatsächlich noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta. Der Darlehensgeber schuldet dem Darlehensnehmer gemäß § 346 Absatz 1 BGB die Herausgabe bereits erbrachter Zins- und Tilgungsleistungen und gemäß § 346 Absatz 1 Satz 2 BGB die Herausgabe von Nutzungsersatz wegen der (widerleglich) vermuteten Nutzungen der bis zum Wirksamwerden des Widerrufs erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Nach der Rechtsprechung des BGH (vergleiche Urteil vom 10. März 2009 – XI ZR 33/08, Randnummer 29) besteht eine tatsächliche Vermutung dahin, dass die Bank Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und bei einen Verbraucher-Immobiliardarlehen von 2,5 Prozentpunkten gezogen hat, die sie als Nutzung herausgeben muss. Es findet keine automatische Saldierung dieser Forderungen statt. Darlehensgeber und Darlehensnehmer können aber – auch konkludent – die Aufrechnung erklären, ohne dass deshalb der Anspruch des Darlehensnehmers gegen den Darlehensgeber gemäß § 346 Absatz 1 BGB auf Herausgabe von Nutzungsersatz als nicht entstanden zu behandeln wäre (so BGH, Beschluss vom 22. September 2015 – XI ZR 116/15, NJW 2015, 3441, 3442).“


Erfolgt die Erklärung des Widerrufs erst nach Beendigung des Darlehens, so hatte sich der Ombudsmann ebenfalls mit den rechtlichen Voraussetzungen für eine Verwirkung des Widerrufsrechts auseinanderzusetzen. Der Einwand der Verwirkung des Widerrufsrechts setzt neben einem Zeitmoment, das mit dem Zustandekommen des Darlehensvertrags zu laufen beginnt, ein Umstandsmoment voraus. Das Widerrufsrecht ist danach verwirkt, wenn sich die Bank über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt.

In dem nachfolgenden Schlichtungsvorschlag W 79/19 bestand die Besonderheit darin, dass das Darlehen vom Darlehensnehmer nicht abgenommen wurde und der Darlehensvertrag nicht erst durch Rückführung der Darlehenssumme, sondern durch Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung beendet wurde. Der Ombudsmann hat aber auch bei dieser Sachlage das Vorliegen des Zeit- und des Umstandsmoments, also die Verwirkung des geltend gemachten Anspruchs feststellen können:


„Die Antragstellerin und Herr A. W. schlossen mit der Bank am 6. September 2011 einen Darlehensvertrag. Die Darlehenssumme wurde nicht abgenommen, weshalb der Vertrag im Oktober 2013 gegen Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung beendet wurde. Mit Schreiben vom 18. Juni 2016 erklärten die Darlehensnehmer den Widerruf ihrer Vertragserklärungen. Die Antragstellerin fordert Erstattung gezogener Nutzungen und einer Zinsüberzahlung. Sie hält die Widerrufsinformation für fehlerhaft und geht davon aus, dass nicht sämtliche Pflichtangaben in der gebotenen Weise gemacht worden seien. Die Bank tritt dem entgegen und weist die Einwendungen der Antragstellerin aus Rechtsgründen zurück. Sie hält die Geltendmachung des Widerrufs für verwirkt.

Der Schlichtungsantrag ist nicht begründet.

Abgesehen davon, dass die Antragsbegründung – im Wesentlichen aus den zutreffenden Gründen der von der Bank unterbreiteten Antragserwiderung – ein fortbestehendes Widerrufsrecht nicht hat aufzeigen können, bedarf es keiner ins Einzelne gehenden Befassung mit den hierzu angeführten „Argumenten“. Die Geltendmachung des Widerrufsrechts wäre jedenfalls rechtsmissbräuchlich, weil Verwirkung eingetreten ist (§ 242 BGB). Zum Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung des Widerrufsrechts hat der BGH schon wiederholt Stellung bezogen. Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, sodass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Je länger der Inhaber des Rechts untätig bleibt, desto mehr wird der Gegner in seinem Vertrauen schutzwürdig, das Recht werde nicht mehr ausgeübt werden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 393/16; Beschluss vom 23. Januar 2018 – XI ZR 298/17, juris). Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (BGH, Urteile vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ) 211, 105; vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207; vom 21. Februar 2017 – XI ZR 185/16, BGHZ 214, 94; vom 14. März 2017 – XI ZR 442/16, juris).

So liegt es auch hier, und zwar auch in Ansehung des Umstands, dass es nicht zur Abnahme der Darlehenssumme gekommen ist. Jedenfalls kann bei einem beendeten Darlehensvertrag das Vertrauen des Darlehensgebers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, selbst wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach (vergleiche BGH vom 12. Juli 2016 – XI ZR 501/15; vom 11. Oktober 2016 – XI ZR 482/15). Namentlich durch die vollständige Vertragsabwicklung und den einvernehmlichen Ausgleich der vertraglichen Zinsansprüche der Bank (hier durch Leistung einer Teil-Nichtabnahmeentschädigung) kann der Darlehensgeber in seinem Vertrauen auf den Bestand des Darlehensvertrags bestärkt sein (BGH, Urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 267/96, BGHZ 1, 161–172).

Der Darlehensvertrag ist hier unstreitig durch die vorbehaltlose Leistung einer Nichtabnahmeentschädigung beendet worden. Das für die Annahme der Verwirkung erforderliche Zeitmoment ist im gegebenen Fall – anders als bei einer Darlehensabwicklung mit Auszahlung der Darlehenssumme und laufender Entrichtung von Zins und Tilgung – modifiziert zu betrachten, weil der Darlehensvertrag überhaupt nicht in ein solches Vollzugsstadium gelangt ist. Festzuhalten bleibt aber, dass die Verbindlichkeit des Darlehensvertrags gleichwohl ab Vertragsschluss bis zum Widerruf im Jahre 2016 für rund fünf Jahre nicht angegriffen wurde. Das Vertragserfüllungsinteresse der Bank wurde vielmehr durch die Leistung der Nichtabnahmeentschädigung im Jahre 2013 anerkannt und ausgeglichen. Die darin liegende Befriedigung des Zinsinteresses der Bank hat einen eigenen Bestätigungscharakter in Bezug auf den zugrunde liegenden Darlehensvertrag. Die vollständige Abnahme der Darlehenssumme ist bei verzinslichen Darlehen eine vom Darlehensnehmer zu erfüllende vertragliche Hauptpflicht (vergleiche Palandt/Weidenkaff, BGB, § 488 Randziffer 16). Durch die Nichtabnahme verstößt der Kunde gegen sein vertragliches Zinsversprechen, das er gegenüber der Bank abgegeben hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 7. November 2000 – XI ZR 27/00, BGHZ 146, 5; Urteil vom 1. Juli 1997 – XI ZR 197/96, juris) kann eine Bank den Schaden, der ihr durch die Nichtabnahme eines Darlehens entsteht, in Gestalt der sogenannten Nichtabnahmeentschädigung gegenüber dem Darlehensnehmer geltend machen. Wenn der Darlehensnehmer die kreditgebende Bank in solch einer Situation schadlos stellt, wird die Entscheidung über die Darlehensaufnahme überholt und der Vertrag erledigt sich durch seine abschließende (vorzeitige) Beendigung. Das Verbraucherrecht zum Darlehenswiderruf dient aber dazu, die Entschlussfreiheit des Darlehensnehmers bei Abschluss eines Darlehensvertrags zu schützen (vergleiche schon BGH, Urteil vom 17. September 1996 – XI ZR 197/95, juris; BGH, Urteil vom 17. September 1996 – XI ZR 315/95, juris). Dieser Aspekt verliert jedenfalls beim vorliegenden Hergang und einem Zeitablauf der hier in Rede stehenden Größenordnung jede Bedeutung.

Die Bank hat sich in den Jahren bis zur Widerrufserklärung darauf einstellen können, dass sich die Vertragssituation endgültig erledigt hatte. Im Rahmen sorgfältiger Geschäftsführung konnte sie auch in ihrer geschäftspolitischen Ausrichtung davon ausgehen, dass die Widerrufsfrage hier nicht mehr virulent war. Der Darlehensvertrag war unter den gegebenen Umständen „Geschichte“.

Die Antragstellerin sollte den Widerruf nicht weiterverfolgen.“


Häufig war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) (Urteil vom 26. März 2020, C–66/19, Celex-Nummer 62019CJ0066, juris) Gegenstand von Streitbeilegungsverfahren. Die Antragsteller machten dabei geltend, dass die Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot nicht Rechnung trage, weil der Belehrungstext Normverweise enthalte. Einen solchen sogenannten Kaskadenverweis habe der EuGH als unzulässigen Verstoß gegen die Europäische Verbraucherschutzrichtlinie gewertet. Nach diesem Urteil ist Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Artikel 10 dieser Richtlinie genannten Angaben nicht auf eine nationale Vorschrift verweisen darf, die ihrerseits auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Hieraus auf den Fortbestand eines Widerrufsrechts zu schließen, verstöße nach Ansicht der Ombudsleute gegen das Rechtsstaatsprinzip, zumal der deutsche Gesetzgeber einen Kaskadenverweis ausdrücklich zulässt. Wenn nicht andere Belehrungsfehler feststellbar waren, haben die Ombudsleute ein fortbestehendes Widerrufsrecht abgelehnt, wie der Schlichtungsvorschlag G 41/20 aufzeigt:


„Der Antragsteller hat im Jahre 2011 mit der Antragsgegnerin einen Immobiliardarlehensvertrag geschlossen und mit Schreiben vom 17. Juni 2020 seine Vertragserklärung widerrufen. Er beruft sich insoweit auf das EuGH-Urteil vom 26. März 2020 und verlangt Vertragsrückabwicklung. Die Bank tritt dem entgegen und hält die Rechtsprechung des EuGH nicht für verbindlich.

Den Schlichtungsantrag kann ich nicht befürworten.

Ein trotz des eingetretenen Zeitablaufs fortbestehendes Widerrufsrecht kann nicht bejaht werden.

Im Einzelnen gilt Folgendes:

Die erteilten Widerrufsinformationen entsprechen nach Inhalt und Struktur einer bereits früher vom BGH gebilligten Fassung (vergleiche BGH, Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15). Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Absatz 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach den Maßstäben des nationalen Rechts (Artikel 247 § 6 Absatz 1 EGBGB) klar und verständlich (BGH, Urteile vom 22. No-vember 2016 – XI ZR 434/15, BGHZ 213, 52; vom 4. Juli 2017 – XI ZR 741/16, juris; Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 44/18; Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 581/18, juris). Die in der Widerrufsinformation aufgeführten Pflichtangaben gehen aus dem Darlehensvertrag hervor.

Im Gefolge dieser Rechtsprechung ist gleichwohl zunehmend darüber diskutiert worden, ob der in der Widerrufsbelehrung enthaltene Normverweis dem Deutlichkeitsgebot entspricht, denn dieser Verweis kann von einer nicht vorinformierten Person nur dann rechtlich nachvollzogen werden, wenn auch weiteren Verweisen in den in Bezug genommenen Vorschriften nachgegangen wird (sogenannter Kaskadenverweis). Die Problematik von Kaskadenverweisen steht im Zusammenhang mit der immer wieder diskutierten Frage, wie weit Verweise auf Gesetze und andere Normen – namentlich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen – überhaupt zulässig sind. Innerhalb eines zunehmend komplexer werdenden rechtlichen Umfelds herrscht weitgehender Konsens darüber, dass Normverweise zulässig sind, ohne die Verständlichkeit und die Transparenz von Formularbestimmungen (§ 307 BGB) infrage zu stellen. Solche Normen lassen sich ohne unzumutbaren Aufwand finden, auch wenn ihr Verständnis oft nicht leichtfällt. Die Zulässigkeit solcher Verweise wird, ohne dies hier im Einzelnen vertiefen zu können, wesentlich auch damit begründet, dass Vertragsunterlagen ohne zulässige Verweismöglichkeiten erst recht unhandlich, unlesbar und unverständlich würden (zur obergerichtlichen Rechtsprechung vergleiche etwa OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019 – 6 U 88/18, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Februar 2019 – 17 U 209/18, juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 3. April 2019 – 4 U 99/18 , juris).

Eine vom Landgericht (LG) Saarbrücken beschlossene Vorlage zum EuGH hat alsdann zu der Entscheidung des EuGH vom 26. März 2020 (C–66/19, Celex-Nummer 62019CJ0066, juris) geführt. Danach ist Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Artikel 10 dieser Richtlinie genannten Angaben nicht auf eine nationale Vorschrift verweisen darf, die ihrerseits auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Auf diese Entscheidung wollen sich die Antragsteller stützen.

Ob aus der Rechtsprechung des EuGH folgt, dass auch hier von einer fehlerhaften Widerrufsinformation und von einem fortbestehenden Widerrufsrecht auszugehen ist, hängt von der formellen und sachlichen Reichweite der EuGH-Entscheidung ab. Die Entscheidung beschränkt sich, wie hierin ausdrücklich, unmissverständlich und wiederholt zum Ausdruck gebracht worden ist, nur auf den zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48. Dieser Geltungsbereich ist hier eindeutig nicht eröffnet.

Die Bank beruft sich insoweit mit Recht auf die vom BGH aufgestellten Grundsätze (BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 581/18, juris; Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 44/18, juris; vergleiche auch EuGH, Urteil vom 26. März 2020 – C–66/19, juris). Es besteht kein Zweifel daran, dass es auch vorliegend um einen grundpfandrechtlich besicherten Immobiliardarlehensvertrag geht, auf den die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrem Artikel 2 Absatz 2 Buchstaben a und c nicht anwendbar ist. Ich kann nachvollziehen, dass man mit dieser rein formalen Anknüpfung hadern und der Entscheidung des EuGH übergreifende Bedeutung beimessen kann. Man könnte hieraus den allgemeinen Grundsatz ableiten, dass ein Kaskadenverweis generell nicht dem Deutlichkeitsgebot genügt.

Das lässt der BGH aber wegen des Rechtsstaatsprinzips aus Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz (GG) nicht gelten. Um einem solchen übergreifenden Grundsatz Geltung zu verschaffen, müsste sich die Rechtsprechung gegen die ausdrückliche Anordnung des deutschen Gesetzgebers stellen, wonach die fragliche Widerrufsinformation den Anforderungen an eine klare und verständliche Information des Darlehensnehmers über das

Widerrufsrecht genügt (BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, juris).

Die Beachtung des Rechtsstaatsprinzips ist in der Sache auch ohne Weiteres zu befürworten, denn weder ein Gericht noch ein Ombudsmann können sich einfach über die gesetzgeberischen Kompetenzen und Entscheidungen hinwegsetzen. Ich habe mich als Ombudsmann generell an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren und kann keine rechtlichen Sonderwege beschreiten.

Ich sehe zwar auch die Gefahr von gewissen Wertungswidersprüchen, die dadurch entstehen können, dass zu sachlich vergleichbaren, aber formal unterschiedlichen Tatbeständen divergierende Bewertungskriterien gefunden werden, obwohl der Sache nach nur eine „richtige“ Handhabung denkbar ist. Die Frage, was denn widerrufsrechtlich hinreichend deutlich ist, sollte sicherlich möglichst klar und einheitlich beantwortet werden, denn das Deutlichkeitsgebot kann schwerlich nach unterschiedlichen Wirkungsbereichen von EU-Richtlinien aufgespalten werden.

Damit ist aber noch nicht gesagt, dass ein einheitliches Verständnis des Deutlichkeitsgebots im Sinne der EuGH-Rechtsprechung nunmehr auf einen Schlag die Begründung von Widerrufsrechten rechtfertigen müsste, die den Kreditmarkt nachhaltig erschüttern könnten. Ich habe bereits aufgezeigt, dass die Zulässigkeit eines gegebenenfalls mehrstufigen Verweises auf gesetzliche Vorschriften, die sich nahezu in allen Darlehensverträgen inklusive der zugehörigen allgemeinen Geschäftsbedingungen finden, in der Rechtsprechung bislang nicht durchgreifend infrage gestellt worden ist. Dies führt zu der Frage, ob nicht jedenfalls für Altverträge ein Vertrauensschutz anzunehmen wäre, der zumindest für eine Übergangszeit einem Widerruf aus den vom EuGH beanstandeten Gründen entgegenstünde (zu vergleichbaren Konstellationen vergleiche etwa BGH, Urteil vom 25. März 2004 – VII ZR 453/02, juris; BGH, Urteil vom 17. September 1986 – IVb ZR 52/85, Randnummer 9, juris; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19. Januar 1999 – 1 BvR 2161/94, Entscheidungen des BVerG (BVerfGE) 99, 341–360; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21. März 2002 – 1 BvR 861/01, Randnummer 13, juris, mit weiteren Nachweisen).

Auch das kann und muss hier nicht abschließend geklärt werden, soll dem Antragsteller aber aufzeigen, dass selbst mit der Annahme, die EuGH-Rechtsprechung sei im Ansatz einschlägig, ein Widerrufsrecht nicht einmal verbindlich festgeschrieben wäre.

Der Antragsteller sollte den Widerruf nicht weiterverfolgen.“