d) Anlageberatung

In vielen Fällen hatten Antragsteller – teils auf Empfehlung der Bank, teils auf eigene Initiative – Aktienfondsanteile, Anleihen, Beteiligungen oder Zertifikate erworben und verlangten mit ihrem Antrag auf Streitbeilegung Schadenersatz wegen Verletzung beratungsvertraglicher Aufklärungs- und sonstiger Pflichten, also die Rückgängigmachung des Anlageentschlusses.

Oft konnte von den Ombudsleuten aufgrund der unterschiedlichen Darstellungen beider Streitparteien hinsichtlich des Beratungsverlaufs mangels Beweiserhebungsmöglichkeit nicht eindeutig festgestellt werden, dass die Beratung der Bank den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen nicht entsprach.

Im folgenden Schlichtungsvorschlag E 42/22 unterlag der Antragsteller allerdings dem weit verbreiteten Irrtum, dass ein ausgebliebener Anlageerfolg ein Nachweis für eine schuldhafte Verletzung beratungsvertraglicher Pflichten gleichkommt:


Die Antragstellerin hat im November 2021 nach Beratung durch die Antragsgegnerin für jeweils 50.000 Euro Fondsanteile nach der sogenannten Strategie 1 klassisch und der Strategie 1 nachhaltig erworben. In der Folgezeit traten Kursverluste auf, über welche die Antragstellerin sehr besorgt war. Nach mehreren Gesprächen mit der Bank veräußerte die Antragstellerin im Juni 2022 die Beteiligungen, wodurch sich ein Verlust in Höhe von 11.267,40 Euro realisierte.

Die Antragstellerin möchte, dass die Bank ihr den Verlust zumindest teilweise erstatten solle. Sie erläutert ihr Bestreben, mit den Anlagen Verwahrentgelte vermeiden zu wollen. Die Mitarbeiterinnen der Bank hätten erkennen müssen, dass sie als unerfahrene Kundin mit solchen Anlageformen nicht umgehen konnte. Die Mitarbeiterinnen der Bank hätte sie immer zuvorkommend behandelt und versucht, sie über alles aufzuklären. Sie habe aber fest daran geglaubt, dass maximal ein Verlust von 10 Prozent eintreten könne. Wegen der schlechten Kursentwicklung sei sie immer beschwichtigt worden.

Die Bank ist nicht zu einer Erstattung bereit. Sie erläutert, dass sie die Antragstellerin ihrer Risikoneigung entsprechend beraten habe. Es hätten insgesamt drei Beratungstermine stattgefunden, die letztlich zu dem streitigen Beteiligungserwerb geführt hätten. Dabei sei für die Antragstellerin von einem konservativen Anlageprofil und einem zeitlichen Anlagehorizont von fünf Jahren ausgegangen worden. Die Fondsstruktur und die wesentlichen Anlageaspekte wie Anlagedauer, Chancen und Risiken seien ihr auch im Hinblick auf mögliche konjunkturelle Veränderungen erläutert worden. Die Antragstellerin habe auf einer vorzeitigen Veräußerung bestanden, wodurch sich die in einem unsicheren wirtschaftlichen Umfeld entstandenen Wertverluste realisiert hätten.

Den Schlichtungsantrag kann ich nicht befürworten.

Es kann unschwer nachvollzogen werden, dass die Antragstellerin wegen des nicht unerheblichen Verlustes enttäuscht ist. Ich kann auch verstehen, dass die Antragstellerin mit den hier in Rede stehenden Kapitalanlagen eher überfordert war und sich wegen der Wertentwicklung große Sorgen machte. Die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch kann ich jedoch selbst auf der Grundlage der Antragsbegründung nicht feststellen.

Ein zentrales Missverständnis dürfte aufseiten der Antragstellerin darin bestehen, dass sie die Bank wegen des ausgebliebenen Anlageerfolgs in der Haftung sehen will. Eine solche Haftung besteht aber grundsätzlich nicht. Ein Schadensersatzanspruch gegen eine Bank, die ihre Kunden über Kapitalanlagen berät, setzt voraus, dass die Bank Anlageinteressenten unter Verstoß gegen beratungsvertragliche Pflichten fehlerhaft im Sinne von § 280 Absatz 1 BGB beraten hat.

Zwischen den Parteien ist hier durchaus ein solcher Beratungsvertrag zustande gekommen. Nach ständiger Rechtsprechung wird ein Beratungsvertrag – zumindest stillschweigend (konkludent) – schon dann geschlossen, wenn eine Bank tatsächlich Beratungsleistungen gegenüber einem Kunden erbringt (vergleiche nur BGH, Urteil vom 18. April 2013, III ZR 83/12; Urteil vom 25. September 2007, XI ZR 320/06; Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007, III ZR 44/06, Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR) 2007, 621). Voraussetzung ist dafür, dass sich der Bankkunde ratsuchend an die Bank wendet und erkennbar Informationen einholen und einen (Anlage-)Entschluss von der ihm zu erteilenden Beratung abhängig machen will. So ist die Sache auch vorliegend – auch nach der Darstellung der Bank – abgelaufen.

Inhalt und Umfang der Beratungspflichten einer Bank, die ratsuchenden Kunden Anlageempfehlungen erteilt, hängen in rechtlicher Hinsicht von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind dabei der Wissensstand beim Anleger, der sich aus seinen allge­mei­nen (Vor-)Kenntnissen und aus seinem früheren Anlageverhalten ergeben kann, und die mit der Anlage verfolgten Ziele, wobei der Anleger über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände aufzuklären ist (ständige Rechtsprechung, vergleiche etwa BGH, Urteile vom 27. November 2012 – XI ZR 384/11, juris; vom 27. September 2011 – XI ZR 182/10; vom 27. September 2011 – XI ZR 178/10).

Die schadensrechtlichen Grundsätze, die zum Beratungsvertrag entwickelt worden sind, dienen aber nur dem Schutz des Anlageentschlusses, nicht jedoch des Anlageerfolgs. Die bloße Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts muss grundsätzlich nur – im Vorhinein (ex ante) betrachtet – vertretbar sein (vergleiche nur BGH, Urteil vom 24. September 2013 – XI ZR 204/12 mit weiteren Nachweisen). Das Risiko, dass eine Anlageentscheidung sich im Nachhinein (ex post) als falsch erweist, trägt der Anleger (vergleiche BGH, Urteil vom 24. September 2013 – XI ZR 204/12, WM 2013, 2065–2069; vom 26. Juni 2012 – XI ZR 316/11, WM 2012, 1520–1526, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Bank übernimmt mit der Beratung über Finanzprodukte also keine Erfolgsgarantie.

Diese Grundsätze gelten auch bei den hier in Rede stehenden Anlagen. Es besteht kein Erfahrungssatz, demzufolge hinreichend aufgeklärte Anleger nicht zu solchen Produkten greifen, bei denen es sich ohnehin nicht um hochspekulative Produkte handelt. Auch die Unerfahrenheit der Antragstellerin bildete kein generelles Hindernis, ihr solche Beteiligungen zu empfehlen. Es kommt vielmehr wesentlich darauf an, auf welcher Beratungsgrundlage die Anlageentscheidung erfolgt.

Die Antragsbegründung leidet mit diesen Vorgaben daran, dass zum eigentlichen Beratungsverlauf praktisch nichts vorgetragen worden ist. Eine Sachverhaltsschilderung, die den Rückschluss auf konkrete Beratungsfehler erlauben könnte, lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin daher nicht entnehmen. Zwar hat auch die Bank nur eher summarisch vorgetragen. Zunächst ist es aber Sache der Antragstellerin, die tatsächlichen Voraussetzungen für einen etwaigen Anspruch aufzuzeigen. Die Bank muss einen gegen sie gerichteten Anspruch nicht schlüssig machen.

Für eine hinreichende Anspruchsbegründung genügt es aus den bereits behandelten Gründen nicht, dass die Antragstellerin mit dem Anlageertrag unzufrieden ist. Abgesehen davon, dass die konkret eingetretenen Verluste letztlich auf dem eigenen Entschluss der Antragstellerin beruhen, sich in einer angespannten Situation von den Werten zu trennen und dadurch die zwischenzeitlichen Kursverluste endgültig festzuschreiben, beinhaltet es einen falschen Haftungsansatz, der Bank die Verantwortung für den Anlageerfolg oder -verlust zuweisen zu wollen. Ich will die Antragstellerin wegen der Veräußerung und den insoweit gewählten Zeitpunkt nicht kritisieren. Womöglich hat sie nach Ablauf der in Aussicht genommenen Anlagedauer genau das Richtige getan und weitere Verluste abgewendet. Eine solchermaßen am Anlageergebnis orientierte Sicht ist jedoch grundsätzlich verfehlt, weil auch die Bank nicht über prophetische Gaben verfügen und sicher voraussehen kann, wie sich ein bestimmtes Finanzprodukt entwickeln wird.

Im Übrigen lässt sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin über wesentliche Umstände im Unklaren gelassen wurde. Die Antragstellerin geht vielmehr ihrerseits davon aus, dass die Mitarbeiterinnen sie „über alles aufzuklären“ versuchten. Dass Kapitalanlagen auch Verluste einbringen können, ist ohnehin allgemein bekannt. Das gilt erst recht in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten, die heftige Kursschwankungen verursachen können. In dem Glauben, es könne allenfalls ein Verlust von 10 Prozent eintreten, war die Antragstellerin nicht geschützt. Dass ihr positiv zugesichert worden wäre, dass kein weitergehender Verlust möglich sei, ist weder dargetan noch sonst feststellbar. Das wäre auch lebensfremd und schwerlich plausibel.

Soweit die Antragstellerin zuletzt darauf hingewiesen hat, dass es in den von der Bank vorgelegten Unterlagen unterschiedliche Angaben zu vorhandenen Anlageerfahrungen gebe, so entfaltet dieser – in der Tat eher befremdliche – Umstand keine greifbare Relevanz für die hier zu prüfenden haftungsrelevanten Tatsachen betreffend den eigentlichen Beratungshergang.

In dem Bestreben, zumindest einen Teil des Verlustes auf die Bank abzuwälzen, kann ich die Antragstellerin im Ergebnis nicht bestärken. Das sollte die Antragstellerin akzeptieren und die Auseinandersetzung beenden.