a) Kreditgeschäft

Ein hoher Anteil der eingereichten Anträge auf Streitbeilegung betraf im Berichtszeitraum 2021 das Kreditgeschäft.

Viele Kunden stellten einen Streitbeilegungsantrag, weil die Bank sich geweigert hatte, einen Dispositionskredit einzuräumen, oder weil das Dispositionslimit gekürzt oder gelöscht wurde oder weil die Bank eine Überziehung des Limits nicht geduldet hat. Bei all diesen Fragen handelt es sich um geschäftspolitische Entscheidungen der Bank, in die im Streitbeilegungsverfahren nicht eingegriffen werden kann. Einen materiellen Anspruch auf Einräumung eines Kredits gibt es im deutschen Recht grundsätzlich nicht. Sofern die Antragsteller konkrete Forderungen erhoben haben, waren die Anträge zwar zulässig, aber im Hinblick auf die Privatautonomie unbegründet.

Bei Immobiliarkrediten gab es – wie in den Vorjahren – wieder eine Reihe von Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit einer beabsichtigten vorzeitigen Rückzahlung von Darlehen standen. Im Berichtszeitraum haben sich etliche Beschwerdeführer darüber beschwert, dass die im Darlehensvertrag enthaltenen Angaben zur Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend seien und dies einer Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung schon dem Grunde nach entgegenstünde. Darüber hinaus sei eine Vorfälligkeitsentschädigung auf 1 Prozent des zurückzuzahlenden Betrags beschränkt. Dass beide Einwände nicht (immer) zutreffen, ergibt sich aus dem Schlichtungsvorschlag W 90/20:


„Zwischen den Parteien bestanden zwei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge vom 30. Oktober 2002 über 150.000,00 Euro beziehungsweise über 64.742,59 Euro, die jeweils nach Ablauf der vereinbarten Sollzinsbindung am 30. März/5. April 2011 und am 2./6. Januar 2017 prolongiert worden sind, zuletzt bis 2027. Im Jahr 2020 hat der Antragsteller das mit den Darlehen finanzierte Anwesen veräußert und die Darlehen abgelöst. Hierfür hat die Antragsgegnerin ihm eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 12.856,50 Euro berechnet.

Gegen die Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung wendet sich der Antragsteller mit seinem Schlichtungsantrag. Er beruft sich auf das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt vom 1. Juli 2020 im Verfahren 17 U 810/19 und macht unzureichende Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung in den Darlehensverträgen geltend. Zudem verweist er auf Ziffer 12.2 der Allgemeinen Bedingungen für Darlehen und Kredite, wonach die Vorfälligkeitsentschädigung

1 Prozent des zurückgezahlten Betrags nicht überschreiten darf.

Dem tritt die Antragsgegnerin entgegen.

Den Schlichtungsantrag kann ich nicht unterstützen. Die Rechtsauffassung des Antragstellers trifft schlicht nicht zu.

1. Auf das Urteil des OLG Frankfurt vom 1. Juli 2020 im Verfahren 17 U 810/19 kann der Antragsteller sich nicht berufen. Richtig ist, dass dieses Gericht entschieden hat, dass einer Bank ein Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung dann nicht zusteht, wenn die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend im Sinne des § 502 Absatz 2 Nummer 2 BGB sind. Dies ist bereits dann der Fall, wenn sie nicht klar und verständlich formuliert sind. Dies mag alles zutreffen. Auf die hier vorliegenden Darlehensverträge vom 30. Oktober 2002 kann diese Entscheidung des OLG Frankfurt aber nicht angewendet werden. Die Verpflichtung, im Darlehensvertrag Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu machen, besteht erst seit dem 11. Juni 2010 (§ 502 BGB in der Fassung vom 29. Juli 2009). Ein Darlehensvertrag aus dem Jahr 2002 kann deshalb insoweit nicht unzureichend sein. Die bloßen Prolongationsvereinbarungen aus den Jahren 2011 und 2017 spielen insoweit keine Rolle. Damit wurde lediglich die jeweilige Dauer der Zinsbindung aktualisiert. Ein neues Kapitalnutzungsrecht ist dem Antragsteller damit aber nicht eingeräumt worden. Die Anforderungen des § 502 BGB waren bei diesen Prolongationen deshalb nicht einzuhalten.

2. Auch auf Ziffer 12 Absatz 2 der Allgemeinen Bedingungen für Darlehen und Kredite kann der Antragsteller sich nicht berufen. Diese Bestimmung gilt lediglich für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge, nicht aber für die hier vorliegenden Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge. Die gleiche Rechtslage ergibt sich im Übrigen auch aus dem Gesetz (§ 502 Absatz 3 BGB).

3. Der Antragsteller hat die Stellungnahme der Antragsgegnerin auf seinen Schlichtungsantrag als überraschend kurz bezeichnet. Mit dieser Kritik an meinem Schlichtungsvorschlag muss ich ebenfalls rechnen. Nur: Die Rechtslage ist halt eindeutig. Was soll ich da noch herumreden?

Ich kann dem Antragsteller nur raten, den Anspruch gegenüber der Bank nicht weiter zu verfolgen.“


Im Berichtszeitraum haben – wie in den Vorjahren auch – etliche Antragsteller versucht, ihr Recht auf Widerruf der eigenen Vertragserklärung zu einem Darlehensvertrag durchzusetzen.

Häufig war die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH; Urteil vom 26. März 2020, C-66/19, Celex-Nummer 62019CJ0066, juris) Gegenstand von Streitbeilegungsverfahren. Die Antragsteller machten dabei geltend, dass die Widerrufsbelehrung dem Deutlichkeitsgebot nicht Rechnung trage, weil der Belehrungstext Normverweise enthalte. Einen solchen sogenannten Kaskadenverweis habe der EuGH als unzulässigen Verstoß gegen die Europäische Verbraucherschutzrichtlinie gewertet. Nach diesem Urteil ist Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Artikel 10 dieser Richtlinie genannten Angaben nicht auf eine nationale Vorschrift verweisen darf, die ihrerseits auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist.

Hieraus auf den Fortbestand eines Widerrufsrechts zu schließen, verstößt nach Ansicht der Ombudsleute gegen das Rechtsstaatsprinzip, zumal der deutsche Gesetzgeber einen Kaskadenverweis ausdrücklich zulässt. Wenn nicht andere Belehrungsfehler feststellbar waren, haben die Ombudsleute ein fortbestehendes Widerrufsrecht abgelehnt, wie der Schlichtungsvorschlag S 1/21 aufzeigt:


„Die Antragsteller haben ihre Vertragserklärungen zu einem im Jahre 2015 geschlossenen Darlehensvertrag mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 widerrufen. Sie machen geltend, die Widerrufsbelehrung sei nach der EuGH-Rechtsprechung fehlerhaft. Sie verlangen Rückabwicklung und machen einen Einigungsvorschlag.

Die Bank tritt dem entgegen und hält die Rechtsprechung des EuGH nicht für einschlägig.

Den Schlichtungsantrag kann ich nicht befürworten.

Ein trotz des eingetretenen Zeitablaufs fortbestehendes Widerrufsrecht scheidet aus.

Die erteilten Widerrufsinformationen entsprechen nach Inhalt und Struktur einer bereits früher vom Bundesgerichtshof (BGH) gebilligten Fassung (vergleiche BGH, Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15). Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Absatz 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich (BGH, Urteile vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15, Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (BGHZ) 213, 52; vom 4. Juli 2017 – XI ZR 741/16, juris; Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 44/18; Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 581/18, juris). Die in der Widerrufsinformation aufgeführten Pflichtangaben gehen unmittelbar aus dem Darlehensvertrag hervor.

Die Rechtsprechung des EuGH ändert an vorstehender Einschätzung nichts. Zwar ist darüber diskutiert worden, ob der in der Widerrufsbelehrung enthaltene Normverweis dem Deutlichkeitsgebot entspricht, denn dieser Verweis kann von einer nicht vorinformierten Person nur dann rechtlich nachvollzogen werden, wenn auch weiteren Verweisen in den in Bezug genommenen Vorschriften nachgegangen wird (sogenannter Kaskadenverweis). Die Problematik von Kaskadenverweisen steht im Zusammenhang mit der immer wieder aufgeworfenen Frage, wie weit Verweise auf Gesetze und andere Normen – namentlich in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) – überhaupt zulässig sind. Innerhalb eines zunehmend komplexer werdenden rechtlichen Umfelds herrscht bislang weitgehender Konsens darüber, dass Normverweise zulässig sind, ohne die Verständlichkeit und die Transparenz von Formularbestimmungen (§ 307 BGB) infrage zu stellen. Allgemein geltende Normen lassen sich mit zumutbaren Aufwand auffinden, auch wenn ihr Verständnis oft nicht leichtfällt. An der Schwierigkeit, komplexe rechtliche Normen zu durchdringen, würde sich auch nichts ändern, wenn man sie im Vertrag abdruckt. Die Zulässigkeit solcher Verweise wird, ohne dies hier im Einzelnen vertiefen zu können, wesentlich auch damit begründet, dass Vertragsunterlagen ohne zulässige Verweismöglichkeiten erst recht unhandlich, unlesbar und unverständlich würden (zur obergerichtlichen Rechtsprechung vergleiche im hier gegebenen Zusammenhang etwa Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019 – 6 U 88/18, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Februar 2019 – 17 U 209/18, juris; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 3. April 2019 – 4 U 99/18, juris).

Eine vom Landgericht (LG) Saarbrücken beschlossene Vorlage zum EuGH hat alsdann zu der Entscheidung des EuGH vom 26. März 2020 (C-66/19, Celex-Nummer 62019CJ0066, juris) geführt. Danach ist Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe p der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Artikel 10 dieser Richtlinie genannten Angaben nicht auf eine nationale Vorschrift verweisen darf, die ihrerseits auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Auf diese Entscheidung will sich die Antragsbegründung stützen, dies jedoch ohne Erfolg.

Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nicht, dass auch im gegebenen Fall von einer fehlerhaften Widerrufsinformation und von einem fortbestehenden Widerrufsrecht auszugehen wäre. Dem steht die formelle und sachliche Reichweite der EuGH-Entscheidung entgegen. Die Entscheidung beschränkt sich, wie hierin ausdrücklich, unmissverständlich und wiederholt zum Ausdruck gebracht worden ist, nur auf den zeitlichen und sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48. Dieser Geltungsbereich ist vorliegend eindeutig nicht eröffnet.

Insoweit gelten die vom BGH aufgestellten Grundsätze (BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 581/18, juris; Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 44/18, juris; vergleiche auch EuGH, Urteil vom 26. März 2020 – C-66/19, juris). Es besteht kein Zweifel daran, dass es vorliegend um einen grundpfandrechtlich besicherten Darlehensvertrag geht, auf den die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrem Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a und c nicht anwendbar ist. Dies hat auch der EuGH (am angegebenen Ort) unter anderem in Randziffer 3 seiner Entscheidung ausgeschlossen, indem er den Regelungsrahmen der Richtlinie wie folgt umreißt:

‚Durch Grundpfandrechte gesicherte Kreditverträge sollten vom Geltungsbereich dieser Richtlinie [2008/48/EG] ausgeschlossen sein.‘

Demgegenüber kann der Entscheidung des EuGH auch keine übergreifende Bedeutung beigemessen werden. Hieraus lässt sich nicht der allgemeine Grundsatz ableiten, dass ein Kaskadenverweis generell nicht dem Deutlichkeitsgebot genügen kann. Dem steht nach der Rechtsprechung des BGH das Rechtsstaatsprinzip aus Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz (GG) entgegen. Um einem solchermaßen übergreifenden Grundsatz Geltung zu verschaffen, müsste sich die Rechtsprechung gegen die ausdrückliche Anordnung des deutschen Gesetzgebers stellen, wonach die fragliche Widerrufsinformation den Anforderungen an eine klare und verständliche Information des Darlehensnehmers über das Widerrufsrecht genügt (BGH, Beschluss vom 31. März 2020 – XI ZR 198/19, juris).

Die Beachtung des Rechtsstaatsprinzips ist zwingend geboten, denn weder ein Gericht noch ein Ombudsmann können sich einfach über die gesetzgeberischen Kompetenzen und Entscheidungen hinwegsetzen. Ich habe mich als Ombudsmann wiederum an der Rechtsprechung zu orientieren und kann nicht einfach am höchstrichterlich ausgestalteten Recht vorbei Sonderwege beschreiten.

Selbst wenn zu unterstellen wäre, dass die sich aus der Verwendung der Musterbelehrung ergebende Gesetzlichkeitsfiktion nicht durchgreifen kann, ergäben sich in Bezug auf den Normverweis keine abweichenden Rechtsfolgen. Die gesetzgeberische Entscheidung, Normverweise zuzulassen, bliebe nach dem Rechtsstaatsprinzip auch insoweit verbindlich, denn es macht keinen Unterschied, ob ein solcher Verweis in einer Musterbelehrung oder einer frei gestalteten Belehrung erfolgt. Damit besteht auch nicht die Gefahr von Wertungswidersprüchen, die ansonsten dadurch entstehen könnten, dass zu sachlich vergleichbaren, aber formal unterschiedlichen Tatbeständen möglicherweise divergierende Bewertungskriterien gefunden werden, obwohl der Sache nach nur eine richtige Handhabung denkbar ist.

Bei dieser Sachlage muss ich nicht weiter der Frage nachgehen, ob nicht jedenfalls für Altverträge ein Vertrauensschutz anzunehmen wäre, der zumindest für eine Übergangszeit einem Widerruf aus den vom EuGH beanstandeten Gründen entgegenstünde (zu vergleichbaren Konstellationen vergleiche etwa BGH, Urteil vom 25. März 2004 – VII ZR 453/02, juris; BGH, Urteil vom 17. September 1986 – IVb ZR 52/85, Randnummer 9, juris; Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 19. Januar 1999 – 1 BvR 2161/94, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung; BVerfGE) 99, 341–360; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 21. März 2002 – 1 BvR 861/01, Randnummer 13, juris, mit weiteren Nachweisen).

Die Antragsteller sollten den Widerruf nicht weiterverfolgen und den Vertrag erfüllen.“