d) Anlageberatung

In vielen Fällen hatten Antragsteller – teils auf Empfehlung der Bank, teils auf eigene Initiative – Aktienfondsanteile, Anleihen, Beteiligungen oder Zertifikate erworben und verlangten mit ihrem Antrag auf Streitbeilegung Schadenersatz wegen Verletzung beratungsvertraglicher Aufklärungs- und sonstiger Pflichten, also die Rückgängigmachung des Anlageentschlusses.

Oft konnte von den Ombudsleuten aufgrund der unterschiedlichen Darstellungen beider Streitparteien hinsichtlich des Beratungsverlaufs mangels Beweiserhebungsmöglichkeit nicht eindeutig festgestellt werden, dass die Beratung der Bank den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen nicht entsprach.

Im nachfolgenden Schlichtungsvorschlag hat es die Bank jedoch unterlassen, dem Sachvortrag des Antragstellers überhaupt entgegenzutreten. Eine überwiegend nur wertende Einlassung kann ein Ombudsmann jedoch nicht berücksichtigen. Die im Zivilprozess geltende Verhandlungsmaxime begründet für beide Parteien die Obliegenheit, sich über die von der anderen Partei vorgetragenen Tatsachen zu erklären. Dies gilt auch im außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren. Erklärt sich die Partei nicht, so gilt der Tatsachenvortrag der anderen Partei als zugestanden, wie der folgende Schlichtungsvorschlag N 27/20 aufzeigt.


„Der Antragsteller zeichnete am 3. November 2010 eine Zweitmarktbeteiligung an dem geschlossenen Fonds Nordcapital Schiffsportfolio 8. Mit seinem Schlichtungsantrag verlangt er Schadensersatz im Wege der Rückabwicklung und Freistellung von allen weiteren Nachteilen, weil er sich nach näherer Maßgabe der Antragsbegründung fehlerhaft beraten fühlt. Der Prospekt sei in mehrfacher Hinsicht irreführend und fehlerhaft.

Die Antragsgegnerin tritt dem Anspruch entgegen und verweist auf ihr Schreiben vom 6. März 2020, das folgenden Wortlaut hat:

‚Die Überprüfung des Sachverhalts hat ergeben, dass die seinerzeitige Anlageentscheidung innerhalb des von Herrn N. selbst gewünschten Risikoprofils lag und die Höhe der Anlagesumme von 30.000 Euro zu seiner Depotstruktur passte. Die Chancen und Risiken des Produkts sind im Rahmen der Beratung ausführlich erläutert worden. Selbstverständlich wurde Ihr Mandant auch auf das Totalverlustrisiko hingewiesen. Dabei sind Herrn N. im Rahmen des Beratungsgesprächs sämtliche Unterlagen ausgehändigt worden.

Wir bitten vor diesem Hintergrund um Verständnis, dass wir keine Anhaltspunkte für eine Falschberatung erkennen können und verbleiben ...‘

Der Schlichtungsantrag ist begründet und führt zu dem Vorschlag, dass die Bank die Anlage Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung rückabwickeln und den Antragsteller von weiteren Nachteilen, die ihm aus der Beteiligung erwachsen können, freistellen möge.

Die Bank ist dem Antragsteller wegen Verstoßes gegen beratungsvertragliche Pflichten (§ 280 BGB) zum Schadensersatz und zur Freistellung verpflichtet.

Die seitens der Bank unterbreitete Rechtsverteidigung ist mit Sinn und Zweck einer außergerichtlichen Streitbeilegung allerdings schwerlich vereinbar, denn ihre höchst summarische Einlassung auf die Antragsbegründung ist rechtlich substanzlos und in tatsächlicher Hinsicht völlig unergiebig. Als Anspruchsgegnerin steht die Bank auch im Schlichtungsverfahren entsprechend den zivilprozessualen Grundsätzen (vergleiche insbesondere § 138 Zivilprozessordnung (ZPO)) in der Pflicht, ihr eigenes Vorbringen zu konkretisieren und – soweit möglich – zu belegen. Die umfassenden Defizite im Sachvortrag der Bank als einem rechts- und geschäftserfahrenen Finanzinstitut zwingen zumal in Anbetracht des gewichtigen Streitgegenstands zu der Annahme, dass der Bank eine erhebliche Verteidigung gegen den Schlichtungsanspruch nicht möglich ist. Der Schlichtungsantrag ist deshalb zu befürworten.

Eine beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (ständige Rechtsprechung, vergleiche BGH, Urteil vom 6. Juli 1993 – XI ZR 12/93, Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen (BGHZ) 123, 126, 128 folgende). Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des Anlageobjekts zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex ante betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vergleiche BGH, Urteile XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119; vom 27. September 2011 – XI ZR 178/10, juris mit weiteren Nachweisen).

Dass die Bank diese Pflichten beachtet hätte, ist nicht annähernd dargetan und deshalb auch nicht feststellbar. Dies gilt namentlich hinsichtlich der objektgerechten (anlagegerechten) Beratungsaspekte, die hier eine gewichtige Rolle spielen. Solche sind mit der Antragsbegründung im Einzelnen und in schlüssiger Weise aufgegriffen worden. Da die Bank dazu keine konkrete Erwiderung unterbreitet hat, kann ich mich auf exemplarische Merkmale beschränken, die als produktspezifische Gegebenheiten für den Anlageentschluss wesentlich waren:

  • Gegenstand der Beteiligung waren Zweitmarktprodukte, bei denen sich von vornherein die Frage stellte, inwieweit damit ein besonders risikoträchtiges und sensibles Marktsegment angesprochen war.
  • Soweit – unstreitig – (auch) eigene Schiffe aus dem Gesellschaftskomplex Nordcapital gegen Courtage erworben werden sollten, drängte sich die Frage nach Interessenkonflikten auf.
  • Produktspezifische Risiken stehen auch hinsichtlich der Ausschüttungen in Rede, und zwar namentlich im Hinblick auf solche, die nicht aus Gewinnen aus dem operativen Geschäft, sondern aus dem Anlagevermögen geleistet wurden und damit Rückforderungsansprüchen ausgesetzt sein konnten.
  • Im Zweitmarktgeschäft kommt hinzu, dass der Anleger auch für (frühere) Ausschüttungen haften kann, die er selbst nicht erhalten hat. Unstreitig hat sich dieses Risiko bereits realisiert, weil der Fonds seit Jahren an der Schieflage von Schiffsgesellschaften leidet und entsprechenden Rückforderungen ausgesetzt ist.

Auf all diese Umstände hätte der Antragsteller hingewiesen werden müssen, was mangels stichhaltiger Einwendungen seitens der Bank keiner rechtlichen Vertiefung bedarf. Hierzu trägt die Bank aber nichts vor, weshalb die insoweit behaupteten Beratungsfehler als unstreitig zu behandeln sind (§ 138 Absatz 2 und 3 ZPO analog).

Demgegenüber ist es verfehlt, soweit die Bank geltend macht, der Antragsteller habe bereits zwei andere geschlossene Fondsbeteiligungen gezeichnet. Dieser Umstand tangiert in erster Linie den Pflichtenkreis anlegergerechter Beratung, dessen Umfang maßgeblich (auch) von den Vorerfahrungen eines Anlageinteressenten abhängen kann. Produktspezifische Merkmale müssen dagegen, wenn sie nicht ohnehin bekannt sind, auch einem bereits erfahrenen und eher risikobereiten Anleger aufgezeigt werden. Risiken kann man nur dann bewusst eingehen, wenn sie einem bekannt sind.

Vor diesem Hintergrund steht auch die Kausalität von Beratungsfehlern nicht infrage. Ein Indiz für die fehlende Kausalität unterlassener oder falscher Mitteilungen kann sich zwar aus dem Anlageverhalten ergeben, wenn ein Anleger etwa an vergleichbaren Kapitalanlagen festhält und insoweit nicht unverzüglich die Rückabwicklung wegen eines Beratungsfehlers begehrt (BGH, Urteil vom 26. Februar 2013 – XI ZR 183/11, juris; Urteil vom 8. Mai 2012 – XI ZR 262/10). Die Vergleichbarkeit hängt aber von den jeweiligen Produkteigenschaften ab und entzieht sich hier jeder Feststellung und Abgrenzung.

Die Bank sollte rückabwickeln. Zu den Rückabwicklungsmodalitäten ist keine Schlichtung veranlasst, weil die Bank der Antragsbegründung insoweit nicht entgegengetreten ist und diese Fragen auch höchstrichterlich geklärt sind.“