h) Andere Sachgebiete

Auffallend oft monieren Antragsteller, dass eine Bank vorgelegte Vorsorgevollmachten nicht anerkennt, weil diese im Original nicht dauerhaft zur Verfügung gestellt würden, weil diese nicht notariell beurkundet seien oder aber die Erteilung nicht auf einem bankeigenen Formular erfolgte. Wird der Umfang der Vertretungsbefugnis weit gefasst („… alle Vermögensangelegenheiten …“), wie es in den Vordrucken für die Erteilung von Vorsorgevollmachten üblich und vom Vertretenen auch gewollt ist, so gehe nach Ansicht vieler Banken mit dieser weiten Formulierung Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Umfangs der Vorsorgevollmacht einher, die sich zulasten des Vertretenen auswirke.

Der Streitschlichter musste in diesen Fällen die Banken darüber belehren, dass eine dauerhafte Überlassung der Originalurkunde weder rechtlich geschuldet noch einen Zugewinn an Rechtssicherheit bedeuten würde. Auch eine notarielle Beurkundung könne mangels gesetzlicher Grundlage nicht eingefordert werden, geschweige denn die Verwendung ausschließlich bankeigener Vordrucke. Schließlich obliege es der Privatautonomie des Vertretenen, den Umfang der Vertretungsmacht selbst zu bestimmen: Eine weit gefasste Vertretungsmacht löse gerade keine Rechtsunsicherheit aus, sondern genau das Gegenteil sei der Fall, wie der folgende Schlichtungsvorschlag M 54/23 zeigt:


I.
Die Antragstellerin ist die Schwester des am 6. Mai 2023 verstorbenen P. (im Folgenden als Erblasser bezeichnet). Dieser unterhielt eine Geschäftsverbindung zur Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin, dass diese es ihr ermöglicht, das Konto des Erblassers zu überprüfen und eventuell erfolgte Abbuchungen zu kontrollieren. Hierzu stützt sie sich auf eine ihr vom Erblasser am 20. Mai 2011 erteilte Generalvollmacht und Vorsorgevollmacht, die ihrem Wortlaut nach durch den Tod des Erblassers nicht erlöschen soll (sogenannte transmortale Vollmacht). Wegen des weiteren Inhalts und der Gestaltung der Vollmachtserklärung nehme ich auf die mir von der Antragstellerin vorgelegte Urkunde Bezug.

Dem kommt die Antragsgegnerin nicht nach. Sie ist der Ansicht, die Formulierungen der Generalvollmacht seien für die angefragten Bankgeschäfte zu unbestimmt. Die Antragsgegnerin verlangt weitere Nachweise wie etwa einen Erbschein, ein eröffnetes Testament oder ein vergleichbares Dokument.

II.
Der Schlichtungsantrag ist begründet.

Die Antragstellerin ist aufgrund der ihr vom Erblasser erteilten Generalvollmacht berechtigt, diesen auch nach seinem Ableben der Antragsgegnerin gegenüber rechtsgeschäftlich zu vertreten und mit Wirkung für und gegen ihn die üblichen Bankgeschäfte durchzuführen, § 164 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

1. Die der Antragstellerin vom Erblasser erteilte Generalvollmacht ist nach Form und Inhalt wirksam.

„Vollmacht“ ist die durch Rechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht, § 166 Absatz 2 BGB. Sie wird durch eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung begründet. Sie kann gegenüber dem Vertreter, dem Geschäftsgegner oder durch öffentliche Bekanntmachung erklärt werden. Die Erteilung der Vollmacht bedarf grundsätzlich keiner Form, sofern man von einigen wenigen, hier nicht relevanten gesetzlichen Ausnahmen absieht. Selbst eine nur mündlich erteilte Vollmacht ist wirksam und zu beachten, sofern weitere Voraussetzungen gewahrt werden.

Das Argument, dass der freie Wille des Vollmachtgebers und dessen eigenhändige Unterschrift bei Verwendung einer bereits erstellten, eigenhändigen Urkunde nicht überprüft werden könne, ist zwar richtig. Gleichwohl erfordert dies keine andere Beurteilung. Der Adressat der Vollmachtsurkunde ist durch die Urkunde und im Falle der Unwirksamkeit durch den von ihr ausgehenden Rechtsschein hinreichend gesichert. Die §§ 170–172 BGB schützen den Geschäftsgegner, der auf den Bestand einer nicht oder nicht mehr bestehenden Vollmacht vertraut. Sie normieren eine Rechtsscheinhaftung des Vertretenen. Insbesondere schützt § 172 Absatz 1 BGB den Geschäftsgegner, der auf den Rechtsschein einer Vollmachtsurkunde vertraut. Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass dieser Schutz nicht allumfassend ist. So bieten die genannten Vorschriften keinen Schutz davor, dass die Urkunde nicht „echt“ ist, also die Erklärung nicht von der Person stammt, die als Aussteller erkennbar ist. Diese Gefahr ist aber, insbesondere dann, wenn wie hier die Generalvollmacht mit einer Vorsorgevollmacht verbunden ist, rein theoretischer Natur und somit vollständig zu vernachlässigen. Sie macht es insbesondere nicht erforderlich, das seit nunmehr mehr als 120 Jahren in Kraft befindliche und in der Praxis bewährte System des Allgemeinen Teils des BGB ins Gegenteil zu verkehren.

2. Inhaltlich umfasst die der Antragstellerin erteilte Vollmacht die Befugnis zur Vornahme von üblichen Bankgeschäften aller Artikel. Insbesondere gibt die Vollmacht der Antragstellerin die Befugnis, Einsicht in das Konto des Erblassers zu nehmen und auch über das Konto zu verfügen.

Auch insoweit ist der Wortlaut der Erklärung des Erblassers eindeutig und einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich. Der Erblasser hat seiner Schwester die Vollmacht eingeräumt, „jede Rechtshandlung“, die er selbst vornehmen könnte und bei welcher Stellvertretung gesetzlich zugelassen ist, für ihn und in seinem Namen vorzunehmen. Diese Formulierung lässt Zweifel über den Umfang der Vollmacht nicht aufkommen. Aus ihr wird deutlich, dass der Erblasser dafür sorgen wollte, dass die Antragstellerin im Falle seiner Geschäftsunfähigkeit und/oder nach seinem Ableben in der Lage ist, umfassend für ihn und für seine Angelegenheiten zu sorgen. Für die Ansicht der Antragsgegnerin, die Formulierungen der Vollmacht seien zu unbestimmt, vermag ich deshalb keinerlei Verständnis aufzubringen. Noch klarer und deutlicher kann man sich als Vollmachtgeber wohl kaum artikulieren.

3. Die Antragstellerin ist bereits aufgrund der ihr wirksam erteilten Vollmacht berechtigt, in Vertretung des Verstorbenen zu handeln, sodass es der Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis dafür, dass die Antragstellerin den Erblasser – auch noch – beerbt hat, nicht bedarf. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragstellerin den Erblasser möglicherweise allein beerbt hat. Der Alleinerbe ist aufgrund der ihm erteilten Vollmacht auch nach dem Ableben weiterhin legitimiert, rechtsgeschäftlich als Vertreter des Erblassers zu handeln (Landgericht (LG) Bremen, Beschluss vom 18. Dezember 1992 – 5 T 829/92; ebenso Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage, § 168 Randnummer 4). Die hiervon abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 10. Januar 2013 – 15 W 79/12 – betraf den Grundbuchvollzug eines Rechtsgeschäfts eines Bevollmächtigten, sodass die diesem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen hier nicht maßgeblich sind.

Pflichtgemäß weise ich die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 7. Juni 2005 – XI ZR 311/04 – eine Bank, die von einem Kunden zum Nachweis seines Erbrechts die Vorlage eines Erbscheins verlangt hat, zu Schadensersatz in Höhe der Gerichtskosten für den Erbschein verurteilt hat, nachdem sie einen anderen Erbnachweis nicht anerkannt hat. Vorliegend geht es nicht einmal um einen anderen Erbnachweis, sondern lediglich um die Anerkennung der der Antragstellerin wirksam erteilten transmortalen Vollmacht.

Unbeschadet dessen verbinde ich diese Entscheidung mit dem – ebenso wohlgemeinten wie dringenden – Hinweis an die Antragstellerin, sich um die Regelung der Erbfolge nach dem Erblasser zu kümmern und sich hierzu an die Nachlassabteilung des zuständigen Amtsgerichts zu wenden.

III.

Zur gütlichen Beilegung des Streits sollte die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin im Original vorzulegende Vollmacht anerkennen.


Bedauerlich ist, dass der Rechtsverkehr in solchen Fällen erheblich beeinträchtigt und behindert wird, wo doch die Verwendung von Vorsorgevollmachten es den Vertretenen ermöglichen soll, ohne gerichtliche Anordnung von Betreuung selbstbestimmt und unbürokratisch deren Vertretung zu regeln.

Die Kundenbeschwerdestelle empfiehlt, sich mit den grundlegenden Regeln der (Vorsorge-)Bevollmächtigung vertraut zu machen und so den Vertretenen zu ermöglichen, ihre Bankangelegenheiten selbstbestimmt zu regeln.

Oft bestanden die Kunden auf einer Auskunftserteilung gegenüber der Bank, obwohl diese glaubhaft machen konnte, dass sie die Auskunft nicht erteilen könne. In der Regel berufen sich die Banken darauf, dass die Aufbewahrungspflicht von zur Auskunftserteilung notwendiger Vertragsunterlagen bereits abgelaufen sei und die Unterlagen auch tatsächlich vernichtet wurden. Wenn auch der Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungspflicht nicht automatisch zum Untergang des Auskunftsanspruchs führt, so sollten die Kunden vor Antragstellung berücksichtigen, dass ein Anspruch auf eine Leistung ganz allgemein dann nicht besteht, wenn die Leistungserbringung nicht möglich ist. Ein Streit um die Erbringung einer unmöglichen Leistung ist völlig unnötig; diesbezügliche Anträge haben keinerlei Aussicht auf Erfolg, wie der folgende Schlichtungsvorschlag H 60/23 in aller Kürze aufzeigt:


Der Antragsteller begehrt von der Bank eine Auskunft über die Höhe des Guthabens auf seinem Sparkonto zum Stichtag vom 9. September 1997. Ihm sei zwar bekannt, dass die Bank gemäß § 257 Handelsgesetzbuch (HGB) nach zehn Jahren nicht mehr zu Auskünften oder Nachforschungen verpflichtet sei. Es müsse ihr aber auch außerhalb der Archivierungspflicht möglich sein, die entsprechenden Kundendaten und Kontodaten zu finden.

Die Bank erwidert, es sei ihr objektiv nicht möglich, die erbetene Auskunft zu erteilen. Es bestehe aktuell keine Kontenverbindung mehr zu dem Antragsteller. Bei einer Überprüfung der Archivlisten sei er nicht gefunden worden. Es seien auch keine entsprechenden Kundenstammdaten im Banksystem verschlüsselt, was für eine Auflösung der Geschäftsverbindung schon vor Jahren spreche. Der vom Antragsteller erbetene Auskunftszeitpunkt liege außerhalb der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren (§ 257 HGB).

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Dem Antragsteller steht kein Anspruch auf die erbetene Information über das Guthaben auf seinem früheren Sparkonto zum 9. September 1997 zu. Er selbst geht davon aus, dass ihm kein solcher rechtlich begründeter Auskunftsanspruch zustehe. Ob wegen dieses negativen Anerkenntnisses mangels eines ausreichenden Antrags im Sinne des § 5 Absatz 1 Verfahrensordnung ein Grund für die Ablehnung des Schlichtungsverfahrens gegeben ist (§ 3 Absatz 1a) Verfahrensordnung), lasse ich dahinstehen; denn der vom Antragsteller für seine Ansicht angeführte § 257 HGB betrifft nur die gesetzliche Dauer der handelsrechtlichen Frist für die Aufbewahrung von Buchungsbelegen und hat keinen Einfluss auf den Bestand gebuchter Forderungen. Ein Auskunftsanspruch kann sich nach der Rechtsprechung des BGH aber aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ) 151, 47: Auskunft über die Zinsen eines Sparguthabens), und zwar auch für die Zeit nach dem Ende des Sparverhältnisses (Grüneberg/Grüneberg, § 280 Randnummer 7). Ein solcher Anspruch des Antragstellers ist allerdings nach § 275 Absatz 1 BGB ausgeschlossen, weil der Bank diese Auskunftsleistung unmöglich ist. Die Bank hat durch Hinweis auf ihre konkreten Bemühungen schlüssig ausgeführt, dass sie über keine Unterlagen zur Geschäftsverbindung mit dem Antragsteller mehr verfügt. Dem hat der Antragsteller mit einer nur allgemein gehaltenen, nicht auf die Situation der Bank bezogenen abweichenden Meinung widersprochen.